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Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel

Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel

Titel: Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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überblätterte er. Ihn interessierte von jeder Ausgabe immer nur der Lokalteil und die sogenannte Klatschspalte, die dem neugierigen Leser verriet, wo diese oder jene mehr oder weniger bekannte Schauspielerin gerade Urlaub machte oder sich das Schienbein gebrochen hatte, was prominente Politiker anstellten, um ihr überflüssiges Fett loszuwerden, und wer sich von wem gerade scheiden oder heiraten ließ.
    Zwischen der ersten und der zweiten Tasse Kaffee entdeckte der Rosafarbene unter der Überschrift „Leute in unserer Stadt“ unter anderem die Meldung, daß die weltberühmte Opernsängerin Paola Serena an die Mailänder Scala zurückgekehrt sei.
    „Hab’ ich ja schon gestern gewußt“, knurrte der schlanke Mann vor sich hin, der sich im Augenblick Andreas Bertram nannte. Er biß in sein Brötchen mit Butter und Brombeergelee. Kurz darauf fingen seine Zähne an, immer langsamer zu kauen.
    „Das ist es“, dämmerte es dem Dutzendgesicht. Mit einem Schlag war er hellwach. „Jawohl, das ist es, genau auf so was habe ich gewartet.“ Er sprang auf und machte das Fenster zu, das zum Hinterhof hinausging. In einem Seitenflügel mußte irgendjemand pausenlos, und zwar vom frühen Morgen an, Klavierunterricht geben. Jedenfalls war ihm das ewige Geklimper schon oft genug auf den Wecker gefallen.
    Jetzt mußte er zum Nachdenken Ruhe haben.
    Er hüpfte wieder zu seinem Stuhl zurück und strich aufgeregt auf dem Tisch die Zeitung glatt. Erst nachdem er tief Luft geholt hatte, um seine Nervosität wegzuatmen, las er den Artikel zum zweitenmal .
    „ Kunwar Singh, einer der bekanntesten Hellseher und Wahrsager, kommt heute vormittag nach Berlin. Er wird in der Bellevue-Suite des Hotels Kempinski wohnen und steht zu Konsultationen von jeweils etwa einer halben Stunde zur Verfügung. Wegen seiner internationalen Erfolge sind Besuche nur mit Voranmeldung unter der Telefonnummer des Hotels möglich. Verlangen Sie das Sekretariat von Kunwar Singh. Der indische Wundermann erhielt seine Erleuchtung von einem über hundert Jahre alten Guru im Himalaja. Er liest die Zukunft aus den Handlinien und aus alten Palmblättern seiner Heimat.“
    Der Artikel erzählte noch eine ganze Menge über den in einem Dorf am Ganges geborenen Hellseher. Er habe bereits vor fünf Jahren den Vulkanausbruch in Amerika vorausgesagt, den Tod von gekrönten Häuptern, den Rücktritt der holländischen Königin und die Ölkrise. Schließlich habe er mit seinen Hinweisen bereits mehrfach in aller Welt Verbrechen aufgedeckt und Börsenverluste verhindert.
    Neugierige Besucher, die einen Blick in ihre Zukunft tun wollten, müßten allerdings mit einem Honorar so ab fünfhundert Mark rechnen. Genau wollte sich die Zeitung nicht festlegen. Jedenfalls sei die Anwesenheit Kunwar Singhs eine Sensation, und er würde in Deutschland lediglich in Berlin und in Hamburg Station machen.
    Das Foto des Meisters glich dem Bild eines Maharadschas, ziemlich fett, dunkelhäutig, mit vollen Lippen und fleischiger Nase. Er trug einen weißen Khadi und das gleichfalls weiße Gandhi- Cab .
    „Exorbitante Preise“, sagte der Rosafarbene zu sich selbst und rieb sich die Hände. „Genauso exorbitant wie die Preise des Ganoven Ede Krüger.“
    Allerdings hatte der Alte für das viele Geld auf die Minute pünktlich geliefert, und der nachgemachte Schlüssel war das Werk eines großen Spezialisten. Wenn die Kopie genauso mikromillimetergenau in das Schloß paßte wie der Originalschlüssel, dann mußte das Knacken der Bellevue-Suite ein Kinderspiel sein.
    „ Kunwar Singh“, murmelte das Dutzendgesicht vor sich hin. Er nahm einen Schluck Kaffee, ohne einen Blick von dem abgedruckten Foto zu nehmen. „Deutet die Zukunft aus Handlinien und alten Palmblättern...“
    Er lehnte sich zurück und rechnete hinter geschlossenen Augen. „Zehn Besucher am Tag wären fünftausend Piepen, zwanzig bedeuten zehntausend und in zwei Tagen vierzig Dumme, da kämen glatt zwanzigtausend Mark zusammen oder noch viel mehr. Nicht schlecht, mein Lieber.“ Er speicherte die Zahlen genußvoll in seinen Gehirnwindungen. Und nachdem er eine ganze Weile dagesessen war, ohne sich zu rühren, machte sein Herz zuerst zwei oder drei ganz langsame Schläge. Anschließend hüpfte es geradezu in die Luft.
    Herr Bertram hatte die Beine lang ausgestreckt. „Das kann doch nicht wahr sein“, murmelte er, bewegte sich immer noch nicht und machte auch seine Augen nicht wieder auf. So wartete er eine ganze

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