Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
erzählt. Emma glaubt, dass es dieses Buch sein muss, falls Miriam Schürmann wirklich eine alte Handschrift von dem Mönch bekommen hat.«
»Hast du ihr etwa von meinem Gespräch mit ihrem Vater erzählt?«
»Ist doch schließlich ihr Vater«, sagte Paul, »sie könnte es ja auch von ihm erfahren.«
»Paul«, sagte Grieser verzweifelt, »verdammt, ich hätte dir das nicht erzählen dürfen, das ist Verletzung des Dienstgeheimnisses. Damit riskiere ich meinen Job. Und dann gibst du die vertraulichen Informationen auch noch weiter an die Tochter des Befragten, die zu allem Überfluss Journalistin ist.«
Grieser blinkte und zog seinen Dienstwagen nach rechts auf die Standspur. Er drehte den Zündschlüssel nur halb, so dass die Standlichter weiterhin brannten. Er öffnete das Seitenfenster und sog die kalte Nachtluft ein. Ein LKW brachte seinen Wagen zum Schwanken und verschwand vor ihm in der Dunkelheit. Zurück blieben zwei rote Rücklichter, die immer kleiner wurden.
»Auch ich bin Journalist. Das weißt du.« Pauls Stimme füllte das Wageninnere.
Gequält schloss Grieser die Augen und legte seine Stirn auf das Lenkrad. Angenehme Kühle drang durch seine Haut und beruhigte das Pochen hinter seiner Stirn.
»Peter?« Pauls Stimme klang lockend. Vielleicht auch bittend. Grieser spürte, dass er im Moment nicht mehr zwischen Gut und Böse unterschieden konnte. Paul hatte ihm das Hirn vernebelt. Er brachte ihn um seinen gesunden Menschenverstand. Das Schlimmste, was einem Polizisten passieren konnte. Grieser atmete tief durch und richtete sich wieder auf.
»Eigentlich müsste ich den Fall abgeben wegen Befangenheit«,sagte er müde. Damit hätte sein erster Einsatz als Leiter einer Sonderkommission ein jähes Ende gefunden. Vorhin beim Essen, als er begriffen hatte, dass Pauls beste Freundin die Tochter eines vielleicht Verdächtigen war, dämmerte ihm, dass er sich darüber ernsthaft Gedanken machen musste. Doch das könnte seine Karriere ernsthaft gefährden. Nicht nur, dass er damit die Chance verlieren würde, endlich zu zeigen, was er konnte. Das würde auch bedeuten, in der Dienststelle entweder Lügen zu erzählen oder sich zu outen. Grieser mochte weder das eine noch das andere. Nur seine Eltern und Babsi wussten, dass er schwul war. Mit dem Erfolg, dass die gesamte Verwandtschaft seit Jahren darauf wartete, dass endlich eine Freundin an seiner Seite auftauchte.
»Wieso?«, fragte Paul und unterbrach seine quälenden Gedanken. »Du kennst Emma nicht persönlich. Und ich habe mit dem Verbrechen nicht das Geringste zu tun.«
»Aber du erzählst einer Person, deren Vater darin verwickelt ist, meine Ermittlungsergebnisse.«
»Emma hat mit dem Verbrechen ebenfalls nichts zu tun. Ich habe ihr nur erzählt, was ihr Vater gesagt hat. Also kann sie ihrem Vater nur weitergeben, was er selber gesagt hat. Wo ist das Problem?«
Grieser musste wider Willen lachen.
»Na also, ist doch nichts passiert«, sagte Paul. Seine Stimme klang warm.
»Ihr seid Journalisten«, widersprach Grieser lahm.
»Wir sind Journalisten und keine Schmierfinken. Wir schreiben nur das, was unsere guten Kontakte zur Polizei nicht kaputtmacht. Das gehört zum Job.«
Grieser schwieg. Ein dunkler Volvo huschte an ihm vorbei.
»Wenn es diese Handschrift ist«, nahm Paul das Themawieder auf, »dann stammt sie aus dem 12. Jahrhundert. Es gibt nur Abschriften davon, die etwa hundert Jahre später entstanden sind. Die alte Handschrift könnte sehr detaillierte Beschreibungen einer berühmten Ordensfrau über die Sexualität von Männern und Frauen enthalten. Dann wäre das Auftauchen der Handschrift eine Sensation. Für die Kirche und für die Wissenschaft. Windisch ist Priester, Hertl Wissenschaftler. Vielleicht haben beide ein Interesse daran, die alte Handschrift in die Finger zu bekommen.«
»Vielleicht«, sagte Grieser zweifelnd. »Aber beide wissen seit zwanzig Jahren, dass sie existiert. Aus irgendeinem Grund hat Miriam Schürmann die Handschrift zurückgehalten. Und vielleicht hätte sie das noch länger getan.«
»Wenn Miriam Schürmann die Handschrift hatte, wo ist sie dann jetzt?«, fragte Paul.
»Wir haben in ihrer Wohnung nichts gefunden. Wenn sie ein solch wertvolles Dokument besaß, dann hat sie es bestimmt nicht zwanzig Jahre lang in ihrer Wohnung versteckt. Sie wird es irgendwo lagern, in einem Bankfach vielleicht.«
»Habt ihr einen Hinweis darauf gefunden?«, hakte Paul nach.
Grieser schwieg. Die Leitung blieb stumm. Er
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