Die Göttin der kleinen Siege
wiederkehrender Witz: Wem können wir den Nobelpreis für Physik geben, damit wir ihn nicht ihm geben müssen? Einer der Juroren machte keinen Hehl aus seinem Antisemitismus. 1921 bekam ich diesen Preis dann für die Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effektes – nicht aber für die Spezielle und Allgemeine Relativitätstheorie.“
„Ihre Berühmtheit wiegt zehn Nobelpreise auf, Professor Einstein.“
„Der Nobelpreis ist nur interessant wegen der Aufmerksamkeit, die man dadurch erlangt. So kann ich versuchen, ein paar Ideen in Umlauf zu bringen.“
Ich fegte die Krümel vom Tisch. Die Unterhaltung schleppte sich dahin. Ich war böse auf Kurt, weil er mich nicht gebührend mit einbezog.
„Warum hast du keinen Nobelpreis? Ich hätte auch gern ein so schönes Haus wie die von Neumanns. Seiner Ansicht nach bist du der größte Logiker seit Aristoteles.“
„Es gibt keinen Nobelpreis für Mathematik. Nobel wurde von seiner Frau mit einem Mathematiker betrogen!“
„Ach, das ist doch Gerede! Mit dem Nobelpreis werden Arbeiten belohnt, die der Menschheit großen Nutzen bringen.“
„Bringt die Mathematik denn keinen Nutzen, Herr Einstein?“
„Das frage ich mich noch immer, Adele. Aber es gibt andere Preise.“
„Gödel ist zu alt für die Fields-Medaille.“
„Ich bin nicht auf solche Ehren aus.“
„Das solltest du aber! Mit deinem Hungerlohn von IAS leben wir wie Bedürftige. All deine Intelligenz bringt uns nicht mal einen Hauch von Komfort!“
Kurt tötete mich mit seinem Blick. Seine Kollegen lachten hemmungslos.
„Wozu ist Ihr logisches Denkvermögen gut, wenn Ihre Gattin unzufrieden ist, Gödel?“
Pauli kritzelte eine kurze Gleichung in sein Notizbuch und hielt sie Kurt mit einem dünnen, spöttischen Lächeln unter die Nase.
„Warum attackieren Sie nicht diese gute, alte Vermutung? Die Universität Göttingen hat für die Lösung des Problems noch in diesem Jahrtausend 100.000 Mark ausgelobt.“
„Fermats Satz? 14 Sie sind ja verrückt, Pauli! Ich bin doch kein Alleswisser. Bevor ich überhaupt damit anfangen könnte, müsste ich zur Vorbereitung drei Jahre lang intensive Studien betreiben. Ich habe nicht genügend Zeit, um sie für ein sehr wahrscheinliches Scheitern zu vergeuden, wie schon Hilbert sagte.“
Einstein nahm das Notizbuch und zeigte mir das lukrative Rätsel. Ich war enttäuscht – es bestand aus nur drei Termen: x n + y n = z n .
„Sie sind eben kein Spieler, Gödel. Wissen Sie, meine liebe Adele, der französische Mathematiker Pierre de Fermat war ein großer Spaßvogel. Er hat Mitte des 17. Jahrhunderts diese teuflische Gleichung aufgestellt und erklärt, dass der Rand seines Manuskripts nicht breit genug sei, um sie zu beweisen. Unter uns: Ich habe den Beweis, aber ich verrate ihn nicht. Seit drei Jahrhunderten wachsen unseren Mathematikern darüber graue Haare, und der Satz ist noch weit davon entfernt, gelöst zu werden. Es sei denn, Ihr Mann würde sich herablassen, sich der Sache zu widmen. Sie würden berühmt werden, Gödel! Denn die Kontinuumshypothese bringt Ihnen weder Ruhm noch Reichtum ein, mein Freund. Sie müssen mit der Zeit gehen. Denken Sie ,öffentlich‘! Überlassen Sie die Unendlichkeit ihrer tristen Einsamkeit!“
Pauli lächelte erleichtert – ausnahmsweise war er nicht Zielscheibe von Einsteins beißendem Spott.
„Meine Frau soll sich nicht in diese Dinge einmischen.“
Ich konnte der Gelegenheit nicht widerstehen, Kurt in die Enge zu treiben.
„Warum versuchst du es nicht? Hast du Angst, zu scheitern?“
„Oh, Frau Gödel spricht die Unvollständigkeit an!“
„Das hat mit der Unvollständigkeit nichts zu tun. Ich fürchte mich nicht davor, die Grenzen der Mathematik auszuloten – aber die Grenzen meines eigenen Geistes kenne ich bereits. Du hast keine Ahnung, wovon du überhaupt redest, Adele!“
„Ich bin ein Anhänger häuslichen Friedens! Ich habe mir nur einen Schabernack mit Ihnen erlaubt, Gödel. Das einzig Absolute in einer Welt wie der unsrigen ist der Humor.“
„Wie Sie ja wissen, Herr Professor, hat mein lieber Mann keinen.“
Kurt, verkrampft vor Ärger, stand auf und verschwand, ohne sich zu entschuldigen. Einstein war ein wenig betreten. Nach längerem Schweigen versuchte er, die Atmosphäre aufzulockern: „Haben Sie schon gehört, dass Institutsstifter Louis Bamberger gestorben ist, Pauli? Und Aydelottes Amtszeit läuft bald aus, die Zeiten werden sich ändern.“
„Das IAS ist zu einem
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