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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ihre Speichellecker haben dem Königspaar mittlerweile so zugesetzt, dass die beiden geschworen haben, zum Dank für einen baldigen Sieg über Granada alle Juden aus Aragon und Kastilien zu vertreiben. Damit aber schlagen sie Spaniens fleißigste und kunstfertigste Hände ab. Ich habe etliche Briefe an Reina Isabella geschickt und sie angefleht, von diesem Vorhaben abzusehen, aber vergebens. Zuletzt schlug ich sogar vor, alle Juden Spaniens in einem Teil des eroberten Emirats anzusiedeln, um sie nicht heimatlos zu machen, doch auch diesen Wunsch verweigert man mir.« Albañez seufzte tief und kämpfte gegen die Tränen an, die ihm in die Augen stiegen.
    »Versteht mich nicht falsch, Don Léon. Auch ich bin dafür, die Juden und Mauren Spaniens dem einzig wahren Glauben zuzuführen, doch sollte die Bekehrung mit Liebe geschehen und durch gutes Beispiel, nicht aber mit Drohungen und durch Gewalt. Mir wird ganz kalt im Herzen, wenn ich an die so genannte heilige Inquisition denke. Im Namen Jesu, der doch Gnade und Barmherzigkeit predigte, verurteilen sie Menschen zum Tod auf dem Scheiterhaufen und sind damit nicht besser als die Heiden von Karthago, die ihre eigenen Kinder zu Ehren des Götzen Moloch verbrannten.«
    »Du sollst nicht töten.« Lea sprach diese Worte aus, ohne es eigentlich zu wollen.
    Albañez nickte. »So steht es in der Bibel, aber auch in der Thora der Kinder Israels. Wir haben so viel gemeinsam, und doch verachten wir einander, als wäre der jeweils andere eine Ausgeburt Satans.«
    »Was gewiss nicht die Schuld der Juden ist«, wandte Lea ein und vergaß dabei ganz, dass sie einen christlichen Edelmann darstellte.
    Albañez schüttelte unwillig den Kopf. »Haben nicht die Pharisäer die ersten Christen verfolgen lassen, als die Gruppe der Gläubigen noch klein und schwach war? Haben sie nicht Saulus aus Tarsus ausgesandt, um die Christen zu töten?«
    »Wie wollt Ihr das aufwiegen? Einhundert tote Juden für einen toten Christen, oder umgekehrt? Ist es Gott gefällig, ein Volk nach anderthalbtausend Jahren noch immer für etwas büßen zu lassen, was damals geschehen ist? Selbst der Gott Israels erlässt die Sünden der Väter nach vier oder sieben Generationen.«
    Albañez blickte Lea mit neuem Interesse an. »Offensichtlich seid Ihr in den alten Schriften wohl bewandert, Don Léon. Daher freut es mich doppelt, mit Euch plaudern zu können. Seid versichert, dass ich keinen Juden hasse. Selbst wenn Baramosta wieder zum mosaischen Glauben zurückkehrt, nachdem er mein Kloster verlassen hat, wird dies nichts an meiner Wertschätzung für ihn ändern. Die Schuld an einem solchen Schritt würde nämlich auf die zurückfallen, die ihn bedrängt haben.«
    Der Abt freute sich sichtlich, einen Menschen gefunden zu haben, dem es Vergnügen zu bereiten schien, sich mit seinem Verstand zu messen, und so entspann sich ein langes Gespräch. Mitternacht war bereits vorüber, als Albañez Lea anbot, sein Bett mit ihr zu teilen. Lea wollte erschrocken ablehnen, denn sie fürchtete, entdeckt zu werden, und ihr war nur zu sehr bewusst, dass die Anwesenheit einer Frau, noch dazu einer bekennenden Jüdin, eine nicht wieder gutzumachende Beleidigung für den frommen Mann darstellte. Da das Kloster überfüllt war, gab es jedoch sonst keinen Raum, in dem sie nicht Gefahr lief, als fremder Eindringling entlarvt zu werden. So stimmte sie beklommen zu, legte sich aber mit der Kutte hin und drückte sich ganz an die Wand. Der Abt nahm es mit Wohlgefallen zur Kenntnis, und so konnte sie sich ein wenig entspannen.
    Als sie am nächsten Morgen erwachte, saß Albañez bereits wieder auf seinem Stuhl und las in seinem Brevier. Neben ihm stand Pablo mit dem Frühstück für sie und einer Kürbisflasche, die seinen Worten zufolge bis zum Rand mit Mohnsaft gefüllt war.
    »Du musst dich stärken, Bruder Léon, denn es liegt ein anstrengender Tag vor uns.«

8.
    Etwa zu derselben Zeit, in der Lea und Pablo das Kloster verließen, starrte Alvaro de Arandela fassungslos auf einen schmalen Streifen Papier, den er gerade einer Brieftaube abgenommen hatte. Die Nachricht stammte von seinem Bruder Diego und besagte nicht weniger, als dass der Teufelsknecht Orlando Terasa endlich in die Hände der Verteidiger des wahren Glaubens gefallen war. Für Don Alvaro bedeutete die Nachricht, dass er seinen Posten in diesem von Gott verlassenen Winkel Spaniens bald würde räumen dürfen. Er musste an sich halten, um seine Erleichterung nicht

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