Die Goldmacherin Historischer Roman
vielleicht eine Vorsichtsmaßnahme des Unterhändlers war? Nun, es war nicht ihre Sorge.
Alles hing davon ab, ob Aurelia den richtigen Augenblick erwischte. Sie schlich zur Verzweigung des Gangs. Sogar die alten Wächter hatte man abgezogen. Sie lief durch das geschnitzte Portal hinaus aus dem Kaisertrakt zum großen Treppenhaus und schritt die Steinstufen hinunter. Die Galerie im ersten Stock zum Hofe hin war sicher von greisen Gräfinnen und Zofen belagert, die auf ihren Samtkissen jede Bewegung drunten im Hof verfolgen würden.
Der Weg durch den Gesindegang hinter dem Kleinen und Großen Saal war besser. Hier lagen die Kammern der Aufwartedienerinnen. Aurelia lugte in jeden der finsteren, fensterlosen Verschläge, in denen es muffig nach altem Stroh roch. In der dritten Kammer fand sie an einem Haken einen Umhang, wie ihn die Diener bei Regen überwarfen, wenn sie zur Meierei oder zum Backhaus gehen sollten. Aurelia legte ihn sich über den Arm. Alle suchten den Alchemicus Heliodor, unter einem braunleinenen Dienermantel vermutete hoffentlich keiner eine Hexe.
Die letzten Stufen der Wendelstiege im kleinen Turm kletterte sie ganz langsam hinunter. Durch die offene Pforte zum Hofe hin hörte sie schon die Dienstleute an der Mauer tuscheln.
»… gleich kommt der Kaiser!« – »… die Krone noch nie gesehen …« »Die war immer hier! Wo sonst?«
Aurelia schlich an der Wand entlang, nutzte dabei jeden schattigen Winkel und sprang an der Pforte vorbei zum nächsten Gesindegang, der in der Mauer auf der Höhe des Burghofes verlief.
Kaum fühlte sie die Kühle zwischen den dicken Wänden, da bellte sie ein Hündchen aus einer Kammer heraus an. Jemand hatte es dort mit einer Leine an einem Haken festgebunden.
»Schscht«, machte Aurelia und rannte doch lieber gleich den ganzen Weg bis zum Torturm weiter.
Aber dort standen Wachen. Mann an Mann schlossen sie den Zugang aus dem Gesindeflügel der Burg zum Wiener Tor. Vor ihnen flatterten die ungarischen Banner in der Durchfahrt des Torturms. Die Ungarn selbst konnten Aurelia nicht sehen.
Früher oder später würden sich die Wachen umdrehen und sie am Gesindegang erblicken. Aurelia musste sich irgendwo verbergen. Sie schritt auf Zehenspitzen die dicken Grundmauern des Torturms entlang. Zu ihrem Glück gab es in den felsengleichen Steinen tiefe Aussparungen längs und quer. Hier fanden die Wehrriegel ein Gegenlager, wenn das Tor verrammelt wurde.
Aurelia drückte sich in den Hohlraum, der fast so breit wie ein Abort war. Ganz eng raffte sie den Zofenrock an ihre Beine. Sie stand nun höher, und durch eine Lücke in der Mauer des Widerlagers konnte sie sogar aus dem Torhaus hinaus bis in den Burghof sehen. Genau in ihrer Blickachse stand die ungarische Hundertschaft, zehn mal zehn Männer.
»Der Kaiser kommt!«, raunten die Wächter, die kaum fünf Ellen von ihr entfernt das Torhaus sicherten.
Die kaiserliche Familie stellte sich vor die versammelte Hofgesellschaft. Aurelia glaubte im Gesicht der Kleinen Prinzessin ein siegreiches Lächeln zu erkennen. Die Kaiserin hatte ihr Gesicht mit einem Schleier verhüllt, an der Hand führte sie den vierjährigen Thronfolger Maximilian. Der Herrscher des Reiches selbst war in rotem Ornat erschienen, seinen Hut schmückten lange weiße Federn.
In der ersten Reihe der ungarischen Hundertschaft löste sich einer, den Aurelia nur am Gang als den Fürsten Laszlo erkannte. Er hatte sich als Heerführer umgekleidet, trug schwarze Lederhose und eine knappsitzende Joppe. Vor dem Kaiser beugte er nun das Knie.
Schreiber kamen von links und rechts gelaufen, Schriftrollen
mit in der Sonne leuchtenden roten Wachssiegeln wurden getauscht.Wieder beugte Laszlo das Knie.
Auf die Entfernung erkannte Aurelia nur an den Lippenbewegungen, dass sie miteinander sprachen.
Schließlich stellte sich der Kaiser wieder neben seine Gemahlin, die den vierjährigen Thronfolger Maximilian an der Hand führte. Die Kleine Prinzessin hielt sich einen Schritt hinter ihnen. Der Herrscher des Reiches hob die Hand im weißen Handschuh.
Von der Seite erschien ein niedriger Wagen, in dem sonst Frauen reisten. Die Sitze waren mit einer prächtigen, golden und silbern schillernden Decke belegt. Aurelia erkannte das Altartuch aus der Hauskapelle wieder.
Ein Kirchenmann erschien im Bischofsornat. Es war von Rüdesheim! Er trug auf einem grünen Tuch die Stephanskrone bis vor den Kaiser und hielt sie hoch, damit sie alle bewundern konnten.
Zehn Bildplatten
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