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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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»Der da muss draußen bleiben.«
    »Was sagt er?«, wollte Baldo wissen.
    »Dein Hund darf nicht mit ins Haus«, erklärte Piet.
    Baldo wollte zu einer scharfen Antwort ansetzen, doch Cristin legte ihm eine Hand auf den Arm.
    »Frag ihn, wo ich Lump anbinden soll.«
    Piet wandte sich wieder dem Alten zu.
    »Dort vor dem Haus, man wird sich gleich um das Tier kümmern«, lautete die Antwort. Der Mann wies auf einen schlanken Baum vor dem Tor des zweistöckigen Gebäudes, und seine Stimme klang jetzt freundlicher. »Ich bin Zygmunt, der Pförtner. Unser Spitalmeister Bruder Krzysztof hat sich schon zur Ruhe begeben, aber ich zeige Euch, wo Ihr schlafen könnt. Kommt mit mir zum Gästehaus.«
    Baldo führte Lump zu dem Baum und band ihn fest.
    »Ist nur für kurz, mein Freund«, murmelte er. »Morgen sehen wir uns wieder.«
    Sie folgten dem Pförtner in das Gebäude und gingen einen langen Gang hinunter, vorbei an einem Dutzend Türen, durch deren Ritzen leises Schnarchen an Cristins Ohren drang.
    Bruder Zygmunt stieß eine Tür auf und reichte Piet das nahezu heruntergebrannte Holzstück. »Die Kammer hat leider nur drei Betten«, erklärte er achselzuckend und sah Cristin an. »Vielleicht, wenn du und der Junge …«
    Sie nickte.
    Cristin lauschte auf Janeks gleichmäßigen Atem, während der Junge mit angezogenen Beinen neben ihr lag und von Zeit zu Zeit im Schlaf den Kopf hin- und herdrehte. Auch die beiden Männer auf der anderen Seite des Raumes schliefen längst. Sie starrte an die dunkle Kammerdecke, und hinter ihr in der Wand nagte eine Maus. Doch es war nicht nur das leise Knispeln, das sie wachhielt. Vielmehr beschäftigten sie die schrecklichen Erinnerungen an das Erlebte. Vor ihrem inneren Auge sah sie wieder den hoch zu Ross thronenden Deutschritter, dessen eisiger Blick ihr noch immer Schauer über den Rücken laufen ließ. Der Gedanke, dieser Mann könnte Janeks Mutter geschändet haben, noch dazu in einer Kirche, unter den Augen des Gekreuzigten, bestürzte sie zutiefst. Wie war es möglich, im Zeichen des Kreuzes und im Namen Gottes das Schwert zu erheben, noch dazu, wenn die Opfer nicht den Hauch einer Flucht- oder Verteidigungsmöglichkeit besaßen? Wie fehlgeleitet mussten sie sein, wie abgrundtief schlecht? Oder der Hass auf alle Heiden war ihnen eingetrichtert worden, so lange, bis sie selbst glaubten, was ihnen gepredigt wurde. Und das Ganze nur, weil diese armen Menschen sich von den Lehren Roms abgewendet hatten.
    Das Herz wurde ihr schwer, wenn sie an all die entseelten Leiber dachte, die nun in der Sonne verrotteten wie faulendes Obst. Sie atmete tief ein, um den Druck in ihrer Brust zu mildern, wickelte sich die dünne Decke enger um ihren Leib und stellte sich vor, wie es wäre, würde Lukas jetzt neben ihr liegen. Brust an Brust. Herz an Herz. Cristin rückte näher an Janek heran, schloss die Augen und schlief endlich ein. In jener Nacht geisterte allerdings ein anderes Gesicht durch ihre Träume und schob sich über Lukas’ vertraute Züge. Tiefes Lachen und die Empfindung von großen, dennoch zarten Händen in den ihren begleiteten ihren Schlaf.

5
     
    A m nächsten Morgen klopfte es an die Tür ihrer Kammer. Die Frau, die im Türrahmen stand, trug ein dunkles, bis auf den Boden fallendes Leinenkleid, auf das vorne ein großes weißes Kreuz aufgenäht war, und auf ihrem Kopf saß eine breite dunkle Haube. Der daran befestigte Schleier reichte fast bis zum Gürtel und zeigte nur wenig von ihrem Gesicht, doch die helle Stimme, mit der die Schwester sie ansprach, ließ auf eine junge Frau schließen.
    »Ihr deutsch?«
    Cristin nickte.
    »Ich Schwester Zofia. Ihr gut geschlafen hoffentlich«, plapperte sie fröhlich drauflos. »Frühstück jetzt fertig, Ihr könnt in Refektorium, oberes Stockwerk gehen. Speisesaal«, erklärte sie.
    Cristin senkte zum Dank den Kopf. »Wo können wir uns waschen?«
    »Kommt mit mir, ich Euch zeigen Waschräume.«
    Nachdem sie sich frisch gemacht hatten, begaben sich die drei in den großen Speisesaal im ersten Stock, wo bereits mehrere Gäste an einer langen Tafel saßen und ihr Frühstück – frischgebackenes Brot, Milch und Haferbrei – zu sich nahmen.
    Verstohlen betrachtete Cristin Baldo von der Seite. Wie kam es, dass sie von ihm geträumt hatte und nicht wie sonst von Lukas? Er war ein guter Freund, der beste, den sie sich wünschen konnte, doch in letzter Zeit ertappte sie sich immer häufiger dabei, wie sie seine Nähe suchte, und sei es nur, um

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