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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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Hause. Wir werden nach Euch schicken lassen, wenn sich an ihrem Zustand etwas ändert.«
    Nur mit viel Geduld konnte Cristin ihn davon überzeugen, die Tochter ihrer Obhut anzuvertrauen. Sie sah ihm durch das Fenster nach, wie er mit hängenden Schultern die Gasse hinunterschlich. Die Sonne hatte sich ihren Platz am Himmel zurückerobert, und der Regen ließ nach. Ihr Blick fiel auf die blühenden, feucht schimmernden Büsche und Hecken, da schoss ein Gedanke blitzartig durch ihren Kopf. Ich muss es versuchen, dachte Cristin, rannte zur Tür und riss sie auf, um dem Vater nachzulaufen.
     
    Mit glühenden Wangen betrat sie eine Weile später den Behandlungsraum und hockte sich neben das Bett. »Wie geht es ihr?« Eingehend betrachtete sie das Mädchengesicht und nahm die schlaffen Hände in ihre. Sie waren kalt. Cristin überlief ein Frösteln. Auch Lukas hatte ähnlich teilnahmslos dagelegen, bevor … Sie schüttelte den Kopf, als könne sie die schrecklichen Bilder seines Todeskampfes damit verbannen.
    »Verflixt und zugenäht! Wo kommst du her?«
    Sie sah in Ludewigs zornige Augen.
    »Hast du einen Spaziergang gemacht, während ich um das Leben dieses Kindes kämpfe?«
    »Nein, das habe ich nicht.« Sie wies auf einen kleinen Strauß von Zweigen und Blüten, den sie auf dem Boden abgelegt hatte. »Schaut! Vielleicht …«
    »Was soll das?«, unterbrach er sie. »Ich dachte, du sprichst mit dem Vater des Kindes. Stattdessen gehst du Blumen pflücken.«
    Cristin biss sich auf die Lippen, um den schnippischen Kommentar zu unterdrücken, der sich ihr aufdrängte. Sie suchte den Pulsschlag des Kindes und erschrak. Er raste! Vorsichtig wischte sie die Schweißperlen von der Mädchenstirn. »Meine Güte«, entfuhr es ihr. Genau wie bei Lukas. Sie erhob sich mit einem Ruck und stemmte die Hände in die Hüften. »Dies hier«, presste sie hervor, deutete auf die Pflanzen, »dies sind Teile von Büschen und Blumen, die rund um das Feld wachsen, auf denen die beiden gearbeitet haben, bevor die Kleine krank wurde. Ich bin dem Vater nachgelaufen und habe ihn gefragt, ob er mir die Stelle zeigen kann. Leider kenne ich mich nicht in Pflanzenkunde aus, deshalb habe ich sie mitgebracht, aber ich dachte, es könnte Euch bei der Behandlung helfen.«
    Ludewig starrte sie an.
    Eine neue Woge der Furcht überfiel sie. »Es muss etwas geschehen, so schnell wie möglich.«
    Der Bader nickte und seufzte schwer.
    Just dieser Laut war es, der Cristin aufhorchen ließ.
    Mit zusammengekniffenem Mund beugte Ludewig sich über das Mädchen und hob ihr Augenlid an. Er hat ebenso Angst wie ich, erkannte sie plötzlich, hatte es also nur mit seiner schroffen Art zu überspielen versucht.
    »Du hast an all das gedacht, Agnes?« Seine Miene wurde weicher, und er räusperte sich. »Danke, das war klug von dir.« Er berührte sie am Arm. »Zeig mal her.«
    Während er einen Zweig nach dem anderen in den Händen wog, sprach er halblaut vor sich hin. »Schlehdorn. Blüten von Holunder. Dies ist eine Berberitze.« Er hob den Kopf, und seine Miene drückte Ratlosigkeit aus. »Weißdorn, alles nichts Besonderes«, murmelte Ludewig und zog den letzten Zweig hervor. Er wurde weiß wie Kalk. »Beim Allmächtigen! Tollkirsche.«
    Sie sahen einander an.
    »Was nun?«, brach es aus ihr heraus.
    »Geh zu Nachbar Hinnerk, gleich zwei Häuser weiter. Der hat Kaninchen. Bring mir eins her, sofort.«
    »Kaninchen? Aber wieso … was hat das …«
    »Stell jetzt keine Fragen, sondern tu, was ich dir sage!«
     
    Ludewig hatte den Urin des Mädchens aufgefangen und einige Tropfen davon in die Augen des Kaninchens geträufelt. »Wenn sie anfangen, rot zu glänzen, ist es das Gift der Tollkirsche«, erklärte er ihr mit knappen Worten.
    Der Verdacht bestätigte sich, und für einen Moment wurde es still in der Kammer. Dann erteilte der Bader ihr die Anweisung, dem Mädchen möglichst viel Wasser einzuflößen. »Ich habe versucht herauszufinden, wie viele Beeren die Kleine gegessen hat, aber sie antwortet nicht. Jetzt können wir nur abwarten.«
    Während sich Ludewig um seine anderen Patienten kümmerte, hielt Cristin bei dem Mädchen Wache. Der Puls war unverändert hoch, doch das Kind wachte einige Male auf und wirkte klarer. Sie wertete dies als gutes Zeichen. Als alle Leute fort waren, gesellte sich Ludewig zu ihr.
    »Wird sie überleben?«, fragte Cristin.
    Stienberg fuhr sich mit einer Hand über das zerfurchte Gesicht. »Möglich. Vielleicht auch nicht. Das Gift

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