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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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Beinen und stieß ein leises Jaulen aus.
    »Träumst du auch, mein Guter?«
    Das Tier blinzelte und schlief weiter.
    Cristin fühlte sich wie erschlagen, ihre Knochen und Gelenke schmerzten wie nach einem harten Arbeitstag. Mit offenen Augen starrte sie in die Dunkelheit, ihre Angst, jene schrecklichen Bilder könnten sich wiederholen, sobald sie die Lider schloss, hielt sie wach. Wie ein kleines Kind rollte sie sich wimmernd zusammen, die Arme um ihren bebenden Körper geschlungen. Wie konnte sie ihren eigenen Empfindungen noch trauen? Schließlich schoss ihr das Blut in die Wangen. Konnte dies Zufall sein, oder hatten diese ungebetenen Träume etwas mit dem Besuch des fremden Mannes zu tun? Wenn ich nur Baldo nach Auftreten und Aussehen der Leute befragen könnte, mit denen er früher zu tun gehabt hatte. Um wie viel leichter wäre es, sich vor ihnen in Acht zu nehmen. Ich muss nun auf uns beide aufpassen und dafür sorgen, dass auch Baldo von niemandem erkannt wird, ging es ihr durch den Kopf. Wenn mir das nicht gelingt, hat unser letztes Stündchen geschlagen.

16
     
    H alt still«, ermahnte sie ihn.
    Baldo brummte. »Ich verstehe nicht, warum du meinen Zopf abschneiden willst, Cristin.« Er liebte es, ihren wahren Namen benutzen zu können, wenn sie allein waren. »Wozu soll das gut sein? Außerdem begreife ich nicht, warum wir Lump nicht mitnehmen sollen. Er wird Utz verrückt machen mit seinem Gewinsel, glaub mir.«
    Sie biss sich auf die Lippen, ging um den Schemel herum und sah ihm fest in die Augen. Er war doch sonst nicht so begriffsstutzig. »Ich bin einfach nicht sicher, ob deine Verkleidung und der Bart ausreichen, um unerkannt durch die Straßen zu laufen. Also hab dich nicht so, dein Haar wächst schon wieder nach. Sieh dir nur meins an! Und bitte, du darfst deine Augenklappe nicht vergessen! Wegen Lump mach dir keine Gedanken, der ist bei dem Wetter besser bei Utz aufgehoben.«
    Baldo band sich die Augenklappe um und schnitt eine Grimasse. »Seit wann lasse ich mir von einem Weib etwas vorschreiben?«
    Cristin seufzte. Wie gern hätte sie ihm von ihren Befürchtungen erzählt, aber es war sicherer für sie beide, wenn sie schwieg. Sie strich ihm über den Arm. »Niemand hört uns. Bitte versteh doch. Meinst du, mir gefällt es, mich wie eine … eine Zigeunerin zu kleiden? Wie ein Gespenst sehe ich aus. Aber wenn ich Elisabeth suchen will …«
    »Schon gut.« Sein Blick ruhte nachdenklich und mit einem gewissen Schimmer auf ihr.
    Sie senkte die Lider, schließlich wusste sie selbst, wie fremd sie mit den dunkel umränderten Augen und dem einfachen braunen Leinengewand wirkte. Nachdem sie Duretta erzählt hatte, sie müsse die Kleidung flicken, hatte die junge Einäugige ihr es getrost überlassen.
    »Jetzt sehe ich sicher aus wie ein Pfaffe«, beschwerte sich Baldo wenig später und fuhr tastend über seinen Nacken.
    Sie lächelte nur. Regen prasselte unaufhörlich gegen das dichte Blätterwerk der mächtigen Eiche, unter der sie Schutz gesucht hatten, um für einen Moment ungestört miteinander zu sein. Cristins Erregung wuchs ins Unerträgliche. Um zu Lynhards Haus zu gelangen, mussten sie an der Spinnerei vorbei. Ob jemand in der Werkstatt war? Es war zwar unwahrscheinlich, doch auszuschließen war es nicht. Sie fröstelte und zog das Gewand enger um ihren Leib, als ihr die Knie weich wurden.
    »Fertig, Cristin? Wenn wir hier noch länger stehen, werden wir bis auf die Knochen nass sein.«
    Sie nickte und warf einen kritischen Blick zum Himmel. Wer nicht unbedingt unterwegs sein muss, verkriecht sich bei diesem scheußlichen Wetter daheim bei der Familie. Der Gedanke versetzte ihr einen Stich. »Ja, Baldo, fertig.«
    Obwohl sie lieber durch den Regen gelaufen wäre, passte sie sich seinem schleppenden Gang an. Nichts konnten sie weniger gebrauchen, als Aufsehen zu erregen. Mit gesenktem Kopf, die Kapuze ihres Umhangs tief ins Gesicht gezogen, achtete Cristin darauf, nicht auf dem dreckbesudelten, schlüpfrigen Boden auszurutschen. Auf ihrem Weg die Burgstraße entlang wichen sie einem Eselkarren aus – und einem Eimer ungeklärten Inhalts, der beinahe über Baldos Kopf ausgekippt worden wäre. Scharfer Uringeruch stieg ihr in die Nase. Vor der Straßenecke, an der sie in die Hunnestrate abbiegen mussten, blieb Baldo so ruckartig stehen, dass sie es nicht sofort bemerkte. Wie gelähmt stand er da.
    »Was ist denn?«, fragte sie beunruhigt.
    Er war kalkweiß und seine Augen geweitet. »Ich …

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