Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
etwas war, was sie verbergen wollte. Aber jetzt mußte sie nachhaken, nachdem Birgitta etwas passiert war. Sie mußte wieder fragen, dachte Sophie, und wenn ihre Großmutter weiter ausweichend antwortete, mußte sie sie unter Druck setzen. Nicht jetzt, der Besuch im Rathaus hatte Greta Lidelius’ Kraft gekostet, und es war zu merken, daß sie müde zu werden begann.
Aber wenn Greta geruht hatte, wollte Sophie ernstlich mit ihr sprechen. Und diesmal würde sie Ausflüchte nicht akzeptieren.
Martine hatte am Abend rechtzeitig die Uhr zurückgestellt und war froh über die zusätzliche Stunde Schlaf. Sie wachte gegen fünf auf, schlief aber wieder ein und träumte von einer Frau, die mit einer rotgelben Katze im Kindersitz auf dem Gepäckträger die Straße entlangradelte. Martine wußte nicht, wer die Frau war, wußte aber, daß sie in Lebensgefahr schwebte und gewarnt werden mußte. Leider hörte sie die Warnrufe nicht, vielleicht, weil Martine den Mund voller Essen hatte. Dann war sie plötzlich Serviererin in einer Bar in Messières. Sie servierte Jean-Claude Becker und Jean-Louis Lemaire Bier, gekleidet in ihre schwarze Richterrobe, die ihr im Weg war, als sie mit dem Tablett loslaufen wollte.
Trotz allem fühlte sie sich ausgeschlafen, als sie aufwachte, und so voller Energie, daß sie zu der zwei Straßen entfernten, sonntags geöffneten Bäckerei ging, um zumFrühstück Schokoladenbrioches zu kaufen. Während sie ihren Morgenkaffee trank und die kleinen Schokoladenstücke genußvoll im Mund zergehen ließ, dachte sie über ihre Morduntersuchungen nach, beide führten sie in Richtung Stéphane Berger und Berger Rebar. Eine Hausdurchsuchung bei Berger und seinen Unternehmen würde sicher interessante Informationen über die Geschäfte des kunstsammelnden Geschäftsmannes erbringen. Aber der Verdacht, daß Berger mit dem Mord zu tun gehabt haben könnte, war immer noch zu vage, um eine Hausdurchsuchung zu rechtfertigen, konstatierte Martine für sich und nahm ihr drittes Schokoladenbrioche aus dem Brotkorb. Und sie, wenn überhaupt jemand, wußte, wie wichtig es war, nicht leichtsinnig in das Zuhause von Menschen zu stürmen. Sie dachte an Stéphane Bergers beide Töchter und wie es für sie wäre, wenn ihr Vater festgenommen würde. Aber auf der anderen Seite durfte das ihre Entscheidungen auch nicht beeinflussen.
Wäre es nur um eine Voruntersuchung von Wirtschaftsverbrechen gegangen, wäre sie einer Rechtfertigung für eine Hausdurchsuchung näher gewesen. Sie war beunruhigt über die Kartons mit Dokumenten, die Serge die Brüder Mazzeri aus Berger Rebar hatte hinaustragen sehen. Aber die Festnahme von Gianni und Fredo hatte zumindest solche Aktionen auf weiteres unterbunden.
Die Ermittlungsbeamten der kommunalen Polizei hatten bis jetzt bei ihrer Suche nach Zeugen, die Birgitta Matssons Mörder in der Nähe des Hauses, aus dem die Schüsse abgefeuert worden war, gesehen hatten, keinen Erfolg gehabt. Auch die Anrufe, die die ermordete Frau von Villette nach Brüssel getätigt hatte, hatten sie nicht nachweisen können.Sie wußten mit Sicherheit, daß sie mit Annalisa Paolini telefoniert hatte, und gingen davon aus, daß sie mindestens noch eine Person angerufen hatte, die, auf die sie an der Place de la Gare gewartet hatte. Vermutlich hatte sie für ihre Kontakte nach Villette am Freitag vormittag eine Telefonzelle benutzt.
Christian de Jonge hatte Annick Dardenne nach Hasselt geschickt, weil sie Stéphane Bergers Spuren verfolgen sollte. Bergers Geschäftskontakt in Brüssel war sehr bestürzt darüber gewesen, daß er wegen seiner geheimen Überlegungen mit dem französischen Geschäftsmann von der Polizei angerufen wurde, hatte aber widerwillig zugestimmt, Annick zu treffen.
Serge widmete sich den Brüdern Mazzeri. Gianni Mazzeri war festgenommen worden, wegen dringenden Verdachtes, in den Überfall auf Martine verwickelt gewesen zu sein. Dino Mazzeri hatte Serge in seiner Villa am Fluß empfangen und traurig erklärt, daß seine beiden jüngeren Brüder schon als Teenager auf die schiefe Bahn geraten waren und es trotz Dinos emsiger Versuche, ihnen mit Jobs und moralischen Ermahnungen zu helfen, nicht geschafft hatten, sich aus den kriminellen Kreisen zu befreien. Aber eine Untersuchungsrichterin zu überfallen war doch ein starkes Stück. Vielleicht hatte der arme Alfredo nicht gewußt, wer die Frau war, schlug Dino Mazzeri vor und betrachtete Serge mit wehmütigem Blick, sein jüngster Bruder war
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