Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Schlange aus geschmolzenem Eisen bewegten, die träge aus dem Spundloch ganz unten im Ofen hervorquoll.
Sie hielt Jean-Claude am Arm und versuchte, mit seinen langen Schritten mitzukommen, als er sich zwischen den Gebäuden einen Weg suchte. Manchmal überquerten sie breite, scheinwerferbeleuchtete Fahrwege, manchmal gingen sie durch schmale Durchgänge, wo das Dunkel kompakt war. Einmal überquerten sie ein Eisenbahngleis, und einmal gingen sie schräg durch eine hohe Halle, wo eine Gruppe Arbeiter beim Warten auf etwas Karten spielte.
Plötzlich kannte sie sich wieder aus. Sie waren beim Gebäude von Berger Rebar angekommen, wo sie früher am Tag gewesen war. Es sah im Dunkeln anders aus, höher und bedrohlicher. Aber in der obersten Etage, der Direktionsetage, brannte Licht.
Jean-Claude guckte hoch zu den beleuchteten Fenstern.
– Komisch, sagte er, wer kann jetzt hier sein?
Er sah einen dunklen Lieferwagen, der am Eingang geparkt war, und zuckte die Achseln.
– Die Reinigungsfirma, sagte er, ich hätte nicht gedacht, daß sie so spät arbeiten.
Er öffnete die unverschlossene Tür zum Büro und ging auf eine Tür ganz hinten im Erdgeschoß zu.
– Die Gewerkschaft hat hier ein kleines Büro, erklärte er, die Angestellten von Berger Rebar sind immer noch in derGewerkschaftsgruppe von Forvil. Das habe ich zumindest erreicht. Aber wenn Berger Rebar zumacht, verlieren sie den ganzen Schutz, den sie als Forvil-Angestellte gehabt hätten.
Er zog die Tür hinter ihnen zu, und Martine hörte, daß sie ins Schloß fiel. Das Büro war klein und fensterlos, möbliert mit einem Schreibtisch, einer Ansammlung unterschiedlicher Stühle und einem Bücherregal voller Ordner.
Sie ließ sich auf einem Stuhl nieder, während Jean-Claude in einem Stapel Papiere auf dem Schreibtisch zu suchen begann.
– Warum machst du das hier eigentlich, fragte sie, ist es so gut für deine Gruppenmitglieder, wenn Berger als Gauner entlarvt wird?
Er sah sie erstaunt an.
– Aber Martine, das ist vielleicht eine komische Frage für eine Richterin! Nun, ich mache es, weil ich sicher bin, daß Berger Rebar ein Kartenhaus ist, das früher oder später einstürzen wird, und es ist besser, jetzt die Initiative zu ergreifen, als auf den Tag zu warten, an dem wir plötzlich entdecken, daß die Kasse leer ist und Berger und seine Handlanger sich abgesetzt haben, dann ist es zu spät für die Mitglieder. Übrigens haben mir meine Eltern beigebracht, daß man ehrlich sein soll, wir sind so, wir Luxemburger.
Er lächelte.
– Du hast gesagt, daß der Aufsichtsratsvorsitzende dagegen war, daß Berger sich einkaufen durfte, sagte Martine, wie kam es, daß er es trotzdem geschafft hat? Ich meine, das Wort des Aufsichtsratsvorsitzenden wiegt doch schwer?
– Ja, aber das der Eigner wiegt schwerer, sagte Jean-Claude trocken. Wie du weißt, besitzen der Staat und ein paar Banken etwas mehr als drei Viertel von Forvil. DieBanken waren froh, eine Verlustmaschine loszuwerden, und der staatliche Besitzer, vertreten durch Guy Dolhet und seine Gang, jubelten darüber, die Jobs retten zu können. Da gab Arnaud Morel schließlich nach. Ah, hier haben wir es, komm, sieh’s dir an!
Er machte die Schreibtischlampe an, so daß der Lichtkegel auf zwei Papiere fiel, die er nebeneinander auf den Schreibtisch gelegt hatte. Das eine war eine zerknitterte Datenliste, befingert von vielen öligen Händen, das zweite war sauber und fleckenlos. Aber beide schienen Namenslisten zu enthalten.
– Sieh mal, sagte Jean-Claude, hier hast du die Dienstliste für die Morgenschicht am 6. Juni diesen Jahres. Und hier hast du eine Anwesenheitsliste mit demselben Datum für einen Ganztagskurs in Datenverarbeitung, der von Berger Development und dem kommunalen Ausbildungsunternehmen in Messières gemeinsam veranstaltet worden sein soll. Und wie du siehst, haben hier an diesem Tag im großen und ganzen dieselben Kollegen Armierungseisen gebogen oder das Walzwerk bedient, die gleichzeitig auf der Schulbank in Messières gesessen haben sollen. Aber ich weiß mit Sicherheit, daß sie tatsächlich hier waren. Und deshalb waren sie nicht im Kurs.
Martine ließ den Finger die Zeilen mit Namen entlanglaufen. Bis auf einige Ausnahmen waren die Listen identisch.
– Und sie bekommen Geld aus Brüssel für die Kurse? fragte sie.
– Yes, sagte Jean-Claude grimmig, Geld aus dem europäischen Sozialfonds, und hat man das Ganze systematisiert, kann es um Millionenbeträge gehen, die sie
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