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Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)

Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)

Titel: Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Grue
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nicht die Nerven, so lange zu warten. »Beeilt euch. Sein Wagen ist noch hier.«
    Er umging den Perlkies in der Einfahrt, als er sich auf die Eingangstür zubewegte. Lautlos schlich er über die kurz geschnittene Rasenfläche und machte einen langen Schritt hinüber zur Treppe. Als er vor der Tür stand und einen Finger zum Klingelknopf ausstreckte, bemerkte er einen kleinen feuchten Fleck auf der schwarz lackierten Tür. Vorsichtig berührte er ihn. Wieder Blut. Und genauso frisch wie am Auto. Frandsen war nach dem Überfall hier gewesen. Vielleicht hielt er sich noch immer in der Villa auf. Dan legte ein Ohr an die Tür, hörte aber natürlich keinen Laut.
    Sollte er Flemming anrufen und zur Eile drängen? Es war zweifellos gefährlich, allein ins Haus einzudringen, wenn Frandsen wirklich noch da war. Auf der anderen Seite wusste Dan, wie John mit den Prostituierten umgesprungen war und wie er Sally totgeschlagen hatte, die langsam und unter wahnsinnigen Schmerzen gestorben sein musste. Was konnte er im Laufe einer halben Stunde nicht alles mit der kleinen, schmächtigen Henriette Kurt anstellen? Sollte Dan einfach vor der Tür stehen bleiben und es geschehen lassen? Konnte er diesen Gedanken den Rest seines Lebens ertragen? War er wirklich ein so schlechter Mensch?
    Er spürte, wie sein Hemd unter dem Wintermantel am Rücken klebte. Zum ersten Mal in seinem Leben nahm er den Geruch der Angst an seinem Körper wahr. Einer physischen Angst, die ihn anflehte, sich herauszuhalten. Sollte Frandsen mit Henriette Kurt doch machen, was er wollte. Verflucht, Dan konnte das Weibsstück nicht einmal leiden! Warum sollte er Leib und Leben für sie riskieren? Doch die Angst predigte zu tauben Ohren. Seine Beine waren bereits um das Haus herumgelaufen, bevor das Gehirn die Meuterei erkannte.
    Dan zwang seine Atmung in einen gleichmäßigen Rhythmus. Auf dem Weg ums Haus bemühte er sich, klar zu denken, sich zu konzentrieren, sein turmhohes Adrenalinniveau konstruktiv einzusetzen. Nach wenigen Minuten spürte er, wie sich Ruhe in seinem Körper ausbreitete, wie seine Sinne sich schärften und seine Bewegungen schneller, lautloser, rationeller wurden. Die Fenster im Erdgeschoss saßen so hoch, dass er nicht hineinsehen konnte. Andererseits konnte er von innen auch nicht gesehen werden. Gut so. Am östlichen Ende des Hauses lag eine Terrasse mit Teakboden und einer Sitzgruppe aus gebürstetem Aluminium. Er hielt sich so nah wie möglich an der Mauer, allerdings überkam ihn eine gewisse Unruhe, als er sah, dass er an einer Seitentür vorbeimusste, um auf die Rückseite des Hauses zu gelangen. Glücklicherweise war nur die obere Hälfte der Tür verglast, sodass Dan nur den Kopf einziehen musste, um vorbeizukommen. Einen Augenblick später stand er an der Ecke des Hauses und konnte über den nach Süden ausgerichteten Garten blicken, der direkt am Waldrand aufhörte. Am Ende des Gartens stand der schwarze, mannshohe Bretterzaun. Dahinter hatte Frandsen gelauert. Der Garten war groß, ausgesprochen gepflegt und selbst um diese Jahreszeit grün. Dafür sorgten eine Menge Buchsbäume mit Fassonschnitt, eine kurz gehaltene Rasenfläche und Efeu als Bodendecker. In der westlichen Ecke des Gartens lag ein Swimmingpool, für den Winter mit einer dunkelgrauen Persenning abgedeckt, auf der sich welkes Laub sammelte. Ein weiß gestrichenes Badehäuschen stand einsam und verlassen hinter dem Pool, daneben ahnte er einen doppelten Carport mit Ziegeldach, das dem des Hauptgebäudes entsprach. Eine Hälfte des Carports war leer, die andere wurde von einem Rennboot belegt, das mit einer dicken, schwarzen Plastikplane bedeckt war. Vor dem Carport stand ein silbergrauer VW Golf. Vaters Wagen und Vaters Boot durften im Trockenen stehen, Mutters Kutsche musste im Winterhalbjahr draußen bleiben. Ganz klar.
    Dan lief die Hinterseite des Hauses entlang und erreichte endlich sein Ziel. Am Ende eines schmalen Treppenschachts führte eine weiß lackierte Holztür in den Keller der Villa. Natürlich war sie verschlossen, aber Dan wusste, wo der Schlüssel lag. Sebastian Kurt und er waren vor fünf, sechs Jahren nach einem feuchtfröhlichen Treffen mit Kunden mitten in der Nacht hier hereingepoltert. Kurt hatte sich in den Kopf gesetzt, dass Dan einen sechsunddreißig Jahre alten Single Malt Whisky probieren sollte. Als sie aus dem Taxi stiegen, hatte Kurt bemerkt, dass er seine Schlüssel vergessen hatte. Er wollte nicht das ganze Haus aufwecken und

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