Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
seinen letzten Kampf ausgefochten hatte. Dan spürte, wie die Wut in ihm hochkochte und bis in die Fingerspitzen schoss. Es rauschte in seinen Ohren. Er ging weiter und schaute auf der linken Seite zwischen die Büsche. Als er einen schwarz gestrichenen Bretterzaun erreichte, wurde sein Verdacht bestätigt. Hinter dem Zaun zeichnete sich leuchtend weiß die Villa der Familie Kurt gegen den schweren, dunkelgrauen Himmel ab. Dan ging vorsichtig am Zaun entlang und fand schon bald Spuren, die John Frandsen hinterlassen hatte. An einer zertrampelten Stelle auf dem Waldboden lagen sechs Zigarettenkippen und zwei leere Bierdosen. John musste sich hier schon ein oder zwei Stunden aufgehalten haben, bevor Laura und Benjamin aufgetaucht waren. Dan zog einen schwarzen Hundebeutel aus der Tasche und breitete ihn über Frandsens Müll. Er legte einen Stein auf jede Ecke, sodass der Beutel nicht weggeweht werden konnte. Das Beweismaterial sollte schließlich nicht vernichtet werden, wenn es anfing zu regnen, dachte er.
Er lief zurück zu der Stelle, wo der Kampf stattgefunden hatte. Diesmal sah er sich die Blutflecken genauer an. Natürlich war nicht zu erkennen, welche Flecken von Luffe und welche von Frandsen stammten. Vornübergebeugt ging er bis zum Waldrand und stellte fest, dass es auf dem ganzen Weg aus dem Wald Blutspuren gab. Sie führten bis zur Straße und hörten dann unvermittelt auf. Vermutlich handelte es sich um Luffes Blut. Dort musste der Audi gestanden haben. Er richtete sich auf und schaute in beide Richtungen. Als er den blauen Mazda bemerkte, der ein Stück weiter oben an der Straße stand, erstarrte er einen Moment und ging dann langsam darauf zu. Erst als er das Auto fast erreicht hatte, war er sicher, dass es leer war. Und abgeschlossen war es auch, wie er einen Augenblick später feststellte. Er ließ den Türgriff los und bemerkte die dunkle, klebrige Flüssigkeit an seinen Fingerspitzen. Blut. Er wischte sich die Finger am Hosenbein ab und hielt die Hände über die Augen, um ins Auto sehen zu können. Auf dem Beifahrersitz stand ein offener Verbandskasten. Auf dem Deckel war Blut zu erkennen, daneben lag eine Packung Verbandsstoff. John Frandsen war also zu seinem Wagen gegangen, hatte sich notdürftig die Hand verbunden und dann … Ja, was hatte er dann gemacht? War er wieder in den Wald gegangen? Dan hielt es für nicht sehr wahrscheinlich. Was sollte er dort? Offensichtlich wollte er Sebastian Kurt und seine Frau ausspionieren, aber Dan hatte ja mit eigenen Augen gesehen, dass der Beobachtungsposten verlassen war.
Langsam ging er den Bøgebakken hinauf zu seinem Wagen, der vor der Einfahrt von Sebastian Kurts Villa stand. Der Schlüssel steckte wie immer im Zündschloss. Man wusste ja nie, wann man schnell verschwinden musste. Plötzlich blieb Dan stehen, ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Vielleicht war Frandsen in die Villa eingedrungen? Vielleicht wollte er die Kinder entführen? Oder Henriette? Dan holte sein Handy heraus und wählte die Mobilnummer seines Chefs. Der Anruf wurde sofort angenommen.
»Hej, Dan!«
»Hast du gesehen, dass ich es bin?«
»Ja, was denkst du denn?« Kurt klang fröhlich und entspannt, bestimmt nicht wie ein Mann, der es mit einem Kidnapper zu tun hat.
»Wo bist du?«
»Auf dem Weg zum Safaripark Knuthenborg. Wieso?«
Ja, wieso? Dan fühlte sich einigermaßen dämlich. »Ach, nur so. Reine Neugier.« Er versuchte nachzudenken. »Ist die ganze Familie unterwegs?«
»Nur die Zwillinge und ich.« Pause. »Sag mal, hast du etwas Besonderes auf dem Herzen, Dan?«
»Eigentlich wollte ich nur ein Treffen mit dir am Montag verabreden.«
»Ja, gut. Dann komm doch gleich morgens um zehn vorbei. Hast du einen Entschluss gefasst?«
»Hab ich, ja. Aber ich würde es dir lieber erst sagen, wenn wir uns sehen. Und Henriette durfte nicht mit auf euren Ausflug?«
»Nein, Dan.« Er klang etwas irritiert. »Nur ich und die Mädchen. Wieso interessiert dich das denn überhaupt?«
»Das erkläre ich dir später. Ist sie zu Hause?«
»Ich wüsste nicht, was dich das angeht«, erwiderte Kurt. »Aber ja, soweit ich weiß, ist sie zu Hause.«
»Danke.« Dan beendete das Gespräch, bevor Kurt weitere Fragen stellen konnte. Als Kurt zurückrief, wies Dan den Anruf ab und stellte das Telefon auf »stumm«. Er wollte jetzt nichts erklären.
Stattdessen schickte er Flemming eine SMS : »Seid Ihr auf dem Weg?«
»Wir sind in einer halben Stunde da.«
Dan stöhnte. Es hatte
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