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Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)

Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)

Titel: Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Grue
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zu setzen. Noch vor einer Viertelstunde war ihr Aussehen vermutlich untadelig gewesen, nun war nichts mehr so, wie es sein sollte. Unter einem Auge war Mascara ausgelaufen, sodass sie aussah wie ein halber Waschbär, und ihre dunklen Locken hatten sich in Rekordzeit von den Haarspangen befreit, die sie unter Kontrolle halten sollten. Die Dolce-&-Gabbana-Jacke sah schlampig aus. Wenn er nicht gerade erfahren hätte, mit wem sie verwandt war, wäre er kaum auf diese Idee gekommen. Es war ein weiter Weg von der eleganten, kontrollierten Schönheit Elisabeths bis zu diesem Feuer speienden Drachen.
    »Oh, vielen Dank!«, zischte sie sarkastisch. »Wie großmütig von Ihnen. Und wann kann ich meiner Arbeit wieder nachgehen, wenn ich fragen darf?«
    »Sobald wir Antworten auf ein paar Fragen bekommen haben. Je eher Sie uns die Wahrheit sagen, desto schneller sind wir wieder verschwunden.« Er hielt ihrem Blick stand. »Wollen wir uns setzen und es hinter uns bringen?«
    Sie blieb noch ein paar Sekunden stehen, mit schmalen Augen und einer Atmung, als wäre sie die fünf Etagen bis zu ihrer Wohnung gelaufen. »Augenblick«, sagte sie und verschwand im Badezimmer.
    Claus Bosse sah seinen Chef mit hochgezogenen Augenbrauen an. Flemming zuckte mit den Achseln und nutzte die Gelegenheit, sich unbeaufsichtigt in der Wohnung umzusehen. Sie lag am vornehmen Ende des Gammel Kongevej im Kopenhagener Stadtteil Frederiksberg. Die Räume waren nicht sonderlich groß, aber hell, und die beiden Zimmer zur Straße hatten eine einzigartige Aussicht über die Seen der Innenstadt. Alle vier Seen waren von hier aus zu sehen, sie glitzerten in einer Reihe im blassen Novemberlicht. Vermutlich war das für eine Frau, die ein größeres, professionelles Reinigungsunternehmen besaß, ganz normal, aber die Wohnung wirkte fast erschreckend sauber, sogar für einen Ordnungsmenschen wie Flemming. Alles war absolut staubfrei, jede einzelne blanke Oberfläche – und davon gab es nicht wenige – schimmerte absolut perfekt und wie frisch poliert.
    Die beiden Zimmer waren mit hellen Ledersesseln möbliert, Tische, Regale und Armlehnen bestanden aus irgendeiner dunklen Holzart. Vielleicht Mahagoni. In dem großen Regal, das sich über eine der Wände zog, standen nicht mehr als zwanzig oder dreißig Bücher, der Rest war mit Nippes bestückt. Bei den Büchern handelte es sich ausschließlich um Kochbücher – unbenutzt, soweit er es beurteilen konnte –, mit Ausnahme eines Taschenbuchs, das so zerlesen war, dass er kaum die Buchstaben auf dem Rücken unterscheiden konnte. Er zog es heraus und las den Titel auf der Vorderseite. Wieso war er keineswegs überrascht, dass es sich um eines dieser populären Selbsthilfebücher handelte, aus denen man lernen sollte, an sich selbst zu denken und keine Rücksicht auf andere zu nehmen? Solchen Büchern war Flemmings Exfrau auch verfallen, obwohl sie diese Charakterzüge eigentlich nicht erst heraufbeschwören musste. Sie war von Natur aus damit gesegnet.
    Er stellte das Buch zurück und warf einen Blick ins Schlafzimmer, zog den Kopf aber hastig zurück. Eine Blumenhölle. Ein modernes Himmelbett aus einer dünnen Eisenkonstruktion, überhäuft mit Vorhängen, großen und kleinen Kissen, einer Tagesdecke, einer zweiten Tagesdecke, einer zusammengelegten Steppdecke und einigen weiteren Kissen; alles in pastellfarbenen Blumenmustern mit Faltenbesatz, bezogenen Knöpfen, Bändern und Schleifen. Er schüttelte sich. Was hatte es nur mit Frauen und Textilien auf sich? Das letzte Zimmer war eine Kombination aus Arbeitsraum und Gästezimmer. Auf dem Schreibtisch stand ein tragbarer Computer. Wieso hatten die Kollegen aus Frederiksberg ihn nicht mitgenommen? Er warf einen Blick hinter die Tür und fand die Erklärung beim Anblick einer nagelneuen, flachen Pappkiste, in der noch die Schaumstoffverpackung lag: Merethe Finsen hatte sich einen neuen Computer gekauft, als die Polizei den anderen beschlagnahmt hatte. Na gut, sie brauchte ihn sicher fürs Internet und die E-Mails. Er zog die Schreibtischschubladen auf, eine nach der anderen, geräuschlos und rasch. In der untersten Schublade lag ganz hinten ein DIN -A 5 -großes, billiges chinesisches Notizbuch, eingebunden in schwarzes Glanzpapier mit roten Ecken. Er schlug es an einer beliebigen Stelle auf, zog eine Augenbraue hoch und steckte das Buch in die Tasche.
    Der letzte Raum, die Küche. Nicht besonders groß, allerdings schien das gesamte Inventar so neu zu sein,

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