Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
psychologische Hilfe, falls Sie …«
»Ich komm schon klar. Meine Mutter ist Psychologin«, erwiderte Benedikte. »Im Moment beschäftigt mich am meisten, wann ich Futte in die Wanne stecken kann.«
»Futte? Ach so, den Hund!« Flemming nickte. »Okay. Bringen wir’s hinter uns. Wann sind Sie zu Hause los?«
Sie beantwortete ruhig und vernünftig alle Fragen und schien nur eine Spur verlegen, als sie die Reaktion ihres Magens auf den Leichenfund erklärte.
»Gehen Sie oft mit dem Hund hier am Strand Gassi?«
»Meistens nur am Wochenende. Es dauert ein bisschen länger, hierherzukommen. Wenn ich in den Laden muss, geht das dann eigentlich nicht. In der Woche bleibe ich meistens auf den Waldwegen.«
»Waren Sie am Sonntag hier am Strand?«
Sie dachte kurz nach und sah Simon dabei mit leicht zusammengezogenen Brauen an. Dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Ja! Simon war auch dabei. Kannst du dich nicht erinnern, Schatz?«
Er trat unruhig von einem Bein auf das andere, peinlich berührt, dass er vor einem Repräsentanten der Ordnungsmacht bei seinem Kosenamen genannt wurde. »Doch«, sagte er dann. »Stimmt.«
»Können Sie sich erinnern, ob Sie an der Stelle vorbeigekommen sind, wo sie …«
Ihre Wangen wurden für den Bruchteil einer Sekunde ein paar Nuancen heller. Wenn Flemming der jungen Dame einen guten Rat hätte geben sollen, dann wäre es der gewesen, nie Poker zu spielen. Sie wäre außerstande zu bluffen. »Mein Gott!«, rief sie. »Glauben Sie, sie hätte bereits am Sonntag …«
Simon räusperte sich. »Ich weiß, dass wir genau dort vorbeigegangen sind. Und da lag unter Garantie keine Leiche.«
Als die beiden ihre Namen und Adressen hinterlassen hatten, verschwanden sie in Richtung Parkplatz. Flemming holte sein Handy heraus und schickte eine SMS . Er war der Ansicht, dass es allein der Anstand gebot – egal was der Hauptkommissar, Willumsen oder
Ekstrabladet
davon hielten.
Dan drehte die Zeitung um. Er ertrug es nicht, noch länger auf das Bild zu starren. Das Foto auf der Titelseite war vor etwas über einem Jahr bei einem Werbefilmfestival in Kanada aufgenommen worden, und er fand es grässlich. Ihm war es damals richtig dreckig gegangen. Lähmende Kopfschmerzen hatten ihn ungewöhnlich reizbar werden lassen, er fühlte sich eingeengt und bedrängt von den vielen Leuten und all dem Lärm – das Foto strahlte genau diese Verzweiflung aus. Zum Teufel, wieso hatten sie ausgerechnet ein Foto gewählt, auf dem sein rechtes Auge weiter offen stand als das linke? Er sah aus wie ein Idiot.
Bzzz-bzzz.
Eine SMS . Vermutlich von Laura, dachte er und zog sein Handy aus der Tasche. Sie wollte morgen aus dem Internat kommen, um übers Wochenende zu bleiben, und war bereits jetzt total neugierig, weil bei ihren Eltern ein waschechter Gothic-Typ wohnte. Erst dreiundzwanzig Jahre alt! Sie wollte alles über Benjamin wissen. Das kam natürlich nicht infrage, doch Dan gab sich zumindest Mühe, eine möglichst ausgewogene Beschreibung zu liefern. Laura sollte bloß nicht auf die Idee kommen, diesen unappetitlichen jungen Kerl für so interessant zu halten, dass er als potenzieller Schwiegersohn in Betracht käme. Andererseits wollte er sie möglichst positiv auf ihn einstimmen, zumal sie einverstanden sein musste, an den kommenden Wochenenden ins Wohnzimmer verbannt zu werden. Doch die SMS kam nicht von Laura. Sondern von Flemming Torp, der in aller Nüchternheit mitteilte: »Sally gefunden. Seit ein paar Wochen tot.«
Dans Antwort war kurz: »Erdrosselt?«
Flemmings ebenso: »Erschlagen.«
Dan spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. Vielleicht war er nach der heftigen Geschichte von Alice und Benjamin am Vorabend ein wenig überempfindlich, wenn es um Gewalt ging. Er hatte schlecht geschlafen und von Frauen und Kindern auf der Flucht vor Männern ohne Gesicht geträumt.
Bing!
Auf seinem Notebook wurde eine Mail angezeigt. Klasse. Eine Antwort von Christoffer Bidstrup. Ohne mit irgendjemandem darüber zu reden, hatte Dan seinen höchst effektiven Produktionschef um diskrete Hilfe bei der Beschaffung eines einigermaßen aktuellen Fotos von Benjamins Vater, John Peter Frandsen, gebeten; und über seine Kontakte zu diversen Pressebüros und Bildarchiven der Zeitungen hatte Christoffer innerhalb weniger Stunden ein Foto beschafft, das vor circa fünf Jahren entstanden war. Dan speicherte die angehängte Datei, bevor er das Foto mit Photoshop öffnete.
Mein Gott, was für ein Scheusal! Nach
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