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Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)

Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)

Titel: Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Grue
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Nicht einmal die trübe Jahreszeit konnte darüber hinwegtäuschen, dass sie sich in einer der schönsten Gegenden Dänemarks befanden. Die blau getönten Hügel an der gegenüberliegenden Küste veränderten unablässig ihr Aussehen, und je länger der Wagen durch die Landschaft glitt, desto unterschiedlichere Blickwinkel öffneten sich. Je mehr Buchten und Landspitzen eine Küstenlinie bietet, desto häufiger ändert sie ihr Aussehen, auch aus der Entfernung, dachte Flemming. Er hatte nie den Traum aufgegeben, ein Haus mit Sicht auf den Fjord zu finden; natürlich eins, das bezahlbar war. Seine Frau hatte verhindert, dass dieser Traum in Erfüllung ging. Karin war auf dem Land aufgewachsen und hatte sich geschworen, nie wieder außerhalb einer Stadt zu wohnen. Außerhalb von Recht und Gesetz, wie sie es ausdrückte. Im Stillen hatte Flemming diese Entschiedenheit auf die Tatsache zurückgeführt, dass sie als Kind geschlagen worden war. Die nächsten Nachbarn wohnten so weit weg, dass man es nicht hören konnte, wenn sie schrie. Tja. Er richtete sich auf und räusperte sich. Er wollte nicht mehr daran denken. Mit seiner Ehe war es vorbei; im Grunde gab es nichts, das ihn hinderte, aufs Land zu ziehen. Und so teuer konnte es auch wieder nicht sein, hier etwas zu finden. Etwas Kleines.
    Pia bog von der Landstraße ab und fuhr langsam auf einen Schotterweg, der direkt zum Wasser führte. Sie hatte ihr GPS eingeschaltet, und eine freundliche Damenstimme vertraute ihr an, dass sie in zweihundert Metern links abbiegen müsse. Nachdem sie es getan hatte, behauptete die elektronische Touristenführerin, sie hätten die Endstation erreicht. Hier hörten die Zivilisation und das öffentliche Straßennetz auf, aber in Wahrheit waren sie noch ein gutes Stück vom Strand entfernt. Waage setzte auf der Sackgasse zurück und entschied sich für einen anderen Weg, der die Küstenlinie entlangführte. Nach fünfzig Metern entdeckten sie einen privaten Hohlweg, der offensichtlich ans Wasser führte. Frische Reifenspuren in dem mit Tau überzogenen Gras, das hier und da noch Spuren des morgendlichen Raureifs aufwies, zeigten ihnen, dass hier erst kürzlich mehrere Wagen entlanggefahren waren. Pia Waage hatte keine Zweifel, als sie abbog und in Richtung Strand fuhr. Sie parkte in der Nähe von einigen Autos, die vor ihnen angekommen waren: ein Streifenwagen, ein weißer Lieferwagen der Kriminaltechnischen Abteilung, Svend Giersings silbergrauer betagter Citroën Saxo und ein nagelneuer schwarzer Suzuki-Geländewagen mit Allradantrieb, den niemand kannte. Hoffentlich kein Journalist, dachte Flemming. Fragen nach seinem kahlköpfigen, attraktiven Partner würde er nicht ertragen.
    Im Gänsemarsch gingen sie den schmalen Pfad zwischen dem Ende der grünen Küstenbepflanzung und einem Streifen aus fauligem, braunem Tang entlang. Janssen trat prüfend hinein, doch die Myriaden von Sandhüpfern, die im Sommer als Wolke um seinen Fuß aufgestoben wären, waren offenbar tot, im Winterschlaf oder für die kalte Jahreszeit nach Mallorca umgesiedelt. Letzteres konnte man ihnen nicht verdenken. Der Wind kam ihnen hier am offenen Wasser noch kälter vor. Flemming beneidete Pia Waage um ihre mit Lammfell gefütterte Mütze, die sie bis über die Ohren gezogen hatte. Er schlug den Kragen hoch und zog die Schultern zusammen, als könnte er so einen Hitzeschild um sein Herz aufbauen.
    Ein schmales, gestreiftes Kunststoffband flatterte zwischen dünnen Eisenstäben; es bildete ein Viereck, das vom Rand des Strandbewuchses bis ungefähr einen Meter ins Wasser reichte. Vier Techniker, die Masken vor der unteren Gesichtshälfte und weiße Plastikoveralls über ihren dicken Jacken trugen, hatten sich bis an die Leiche herangearbeitet, einem grünbraunen, schleimigen Haufen, eingerahmt von fauligem Seegras. In dreißig, vierzig Metern Entfernung hielt sich ein junges Paar an einem niedrigen Kieferngestrüpp im Arm. Die Frau hatte einen kleinen weißen Hund an der Leine. Sieht aus wie Struppi, dachte Flemming. Er erwiderte den Blick der Frau und streckte fünf Finger in die Luft. Fünf Minuten. Sie nickte und drückte sich noch enger an ihren Begleiter.
    Eine der weiß gekleideten Gestalten hockte neben der Leiche und kam nur mit Mühe wieder auf die Beine, als sie näher herantraten. Svend Giersing zog die Gummihandschuhe aus, während er sich auf die Absperrung zubewegte, an der die drei Polizisten sich gerade die Schutzkleidung anzogen. Der kleine,

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