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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ihn an wie schwarze, neugierige Augen. Er stand eine Weile reglos und spürte diesem Gefühl in seinem Inneren nach, dem Gefühl zu fallen und niemals den Grund zu erreichen, verdammt dazu, ewig zu stürzen, ohne jemals aufzuschlagen und erlöst zu werden. Abrupt wandte er sich um und schlug den Rückweg ein.
    Als er vor dem Haus ankam, begegnete ihm Karvitas Vater, ein kleiner, alter Mann, der von Beruf Weber war und wie alle Weber einen heiligen Respekt vor Haarteppichknüpfern hatte. Seinem Schwiegersohn war er immer geradezu unterwürfig begegnet – doch nun entdeckte Borlon auch in seinem Blick keimende Verachtung.
    Sie nickten einander nur zu. Borlon stürzte ins Haus, die Treppe hinauf in das Zimmer Naranas. Sie saß auf einem Stuhl am Fenster, still und verschüchtert wie immer und viel kleiner und jünger aussehend, als sie tatsächlich war, und nähte. Er nahm ihr das Nähzeug aus der Hand und hob sie aufs Bett, ohne ein Wort zu sagen, schlug ihren Rock hoch, knüpfte seine Hose auf und drang sofort in sie ein, mit harten, schnellen Stößen voller Verzweiflung. Danach fiel er neben ihr aufs Bett und starrte keuchend an die Decke.
    Sie ließ den Rock hochgeschlagen, klemmte aber beide Hände zwischen die Beine. »Du hast mir wehgetan«, sagte sie leise.
    »Es tut mir leid.«
    »Du hast mir noch nie zuvor wehgetan, Borlon.« Sie sagte es fast erstaunt. »Ich wusste gar nicht, dass es einem da wehtun kann.«
    Er sagte nichts, lag nur da und starrte vor sich hin. Nach einer Weile drehte sie sich zu ihm um, studierte ihn mit ihren großen, nachdenklichen Augen und fing dann an, ihn sanft zu streicheln. Er wusste, dass er es nicht verdiente, aber er ließ es geschehen, während er verzweifelt herauszufinden versuchte, was schieflief.
    »Du machst dir so furchtbare Sorgen, Borlon«, flüsterte sie. »Dabei – sieh doch mal, wir hatten genug Geld für den Rest unseres Lebens, bevor das Haus verbrannte. Jetzt haben wir kein Haus mehr, aber das Geld haben wir immer noch. Was soll uns also passieren?«
    Er schloss die Augen und spürte, wie sein Herz pochte. So einfach war das alles nicht. »Der Teppich«, murmelte er. »Ich habe keinen Teppich mehr.«
    Sie hörte nicht auf, mit ihren Fingern sein Gesicht zu liebkosen. »Borlon … Vielleicht wirst du niemals einen Sohn haben – wozu brauchst du dann einen Teppich? Wenn du ohne Erben stirbst, fällt der Erlös des Teppichs ohnehin an die Gilde. Die Gilde, die dir jetzt nicht helfen will.«
    »Aber der Kaiser …«
    »Der Kaiser bekommt so viele Haarteppiche, der weiß sicher kaum noch, wohin damit. Da kommt es auf einen mehr oder weniger bestimmt nicht an.«
    Er setzte sich abrupt auf. »Das verstehst du nicht. Wenn ich sterbe, ohne einen Teppich vollendet zu haben, dann war mein Leben sinnlos.«
    Er stand auf, ordnete seine Kleidung und ging zur Tür. Narana lag immer noch mit einer Hand zwischen ihren nackten Beinen auf dem Bett, und ihre Augen hatten den Blick eines verletzten Tieres. Er wollte irgendetwas sagen, wollte sagen, wie leid es ihm tat, dass er sich schämte, wollte von dem Schmerz sprechen, der in seinem Herzen wühlte, aber er fand keine Worte dafür. »Es tut mir leid«, sagte er und ging.
    Wenn er nur gewusst hätte, was falsch lief. Es schien keinen Ausweg zu geben aus all der Schuld, die sich rings um ihn auftürmte und auftürmte. Bei jedem der schwerfälligen, ungelenken Schritte, mit denen er die Treppe hinunterging, erwartete er zu stürzen und zu zerbrechen wie ein tönernes Gefäß.
    Es war niemand in der Küche. Da stand die Weinflasche, und daneben die Becher von gestern Abend. Er schenkte ein, ohne sich die Mühe zu machen, den Becher auszuwaschen, und begann zu trinken.
    »Ich habe mit Benegoran gesprochen«, berichtete Karvita. »Er leiht dir das Geld für ein neues Haus und einen neuen Knüpfrahmen.«
    Borlon, der den ganzen Nachmittag stumm am Küchenfenster gesessen und die Wanderung der Schatten verfolgt hatte, bis die Sonne schließlich untergegangen war, rührte sich nicht. Die Worte drangen kaum zu ihm durch, erreichten sein Bewusstsein als ferne, bedeutungsleere Geräusche.
    »Er stellt allerdings eine Bedingung.«
    Endlich gelang es ihm, den Kopf zu wenden und sie anzusehen. »Eine Bedingung?«
    »Er will Narana dafür«, sagte Karvita.
    Er spürte den blubbernden Ansatz eines Lachens in seinem Unterleib aufsteigen und irgendwo zwischen Herz und Kehle stecken bleiben. »Nein.«
    Er sah ihr zu, wie sie die Fäuste ballte und

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