Die Haarteppichknüpfer - Roman
in einer hilflosen Geste gegen ihre Hüften schlug. »Ich weiß nicht, warum ich das alles mache«, brach es aus ihr heraus. »Ich bin den ganzen Tag auf den Beinen, erniedrige mich, bitte und flehe und schlucke den Staub der Wüste, und du tust alles mit einem Wort ab.«
Sie griff nach der Weinflasche und sah hinein. »Und alles, was du dazu beiträgst, ist, dich zu betrinken und dir leid zu tun. Glaubst du, das ist eine Lösung?«
Er begriff dumpf, dass sie eine Antwort wollte, so wie sie dastand und ihn ansah.
»Nein«, sagte er.
»Und wie könnte eine Lösung deiner Meinung nach aussehen?«
Er zuckte nur hilflos die Schultern.
»Borlon, ich weiß, dass dir viel an Narana liegt, wahrscheinlich mehr als an mir«, sagte sie bitter. »Aber ich beschwöre dich, denke wenigstens darüber nach. Zumindest ist es eine Möglichkeit. Und viele Möglichkeiten haben wir nicht.«
Es gab so viel, was er ihr immer hatte sagen wollen, und es gab so viel, was er ihr jetzt sagen wollte, dass er nicht wusste, womit er beginnen sollte. Vor allen Dingen musste er ihr klar machen, dass er sie liebte, dass sie einen festen Platz in seinem Herzen hatte und dass es ihm wehtat, dass sie diesen Platz nicht einnehmen wollte. Und dass das alles nichts mit Narana zu tun hatte …
»Du könntest wenigstens einmal selber mit Benegoran sprechen«, beharrte sie.
Das war sinnlos. Er wusste, dass es sinnlos war. Alles war sinnlos.
»Was wirst du dann tun?«, fragte sie.
Das wusste er auch nicht. Er schwieg. Schwieg und erwartete den Urteilsspruch des Gerichtes. Schwieg und wartete, dass der Turm aus Schuld rings um ihn zusammenbrach und ihn unter sich begrub.
»Borlon? Was ist los?«
Die Worte büßten wieder ihre Bedeutung ein, wurden Teil der nächtlichen Geräuschkulisse. Er wandte sich wieder zum Fenster und sah hinaus auf den Nachthimmel. Da war der kleine Mond, dem man dabei zusehen konnte, wie er rasch über das Firmament zog, auf den großen Mond zu, der ihm langsam entgegenkam. Heute Nacht würde der kleine Mond mitten über die helle Scheibe des großen Mondes ziehen.
Er hörte jemanden sprechen, aber er verstand nichts, und es war auch nicht wichtig, es zu verstehen. Nur die Monde waren wichtig. Er musste hier stehen bleiben und warten, bis sie einander trafen und berührten. Ein Knall wie von einer zufallenden Tür, aber auch das war bedeutungslos.
Er stand still, während der kleine Mond sich bewegte. Wenn man so stand und wartete, konnte man verfolgen, wie sich die Sterne auf der Bahn des kleinen Mondes seiner kleinen, ovalen Lichtscheibe langsam näherten, bis sie schließlich von seinem Licht überstrahlt wurden und verschwanden. Und so wanderten die beiden Monde am Himmelsgewölbe aufeinander zu, Stern um Stern, um schließlich zu einer einzigen Lichtscheibe zu verschmelzen, während er regungslos stand und zusah.
Er war müde. Seine Augen brannten. Als er sich schließlich vom Fenster abwandte, war die Öllampe schon erloschen. Keine Flamme mehr, kein Feuer. Das war gut so. Er wusste nicht mehr genau, warum, aber es war gut so.
Er konnte beruhigt gehen. Es war Zeit. Hinaus in den Vorraum und seinen Umhang vom Haken nehmen, nicht weil er ihn brauchen würde, sondern um aufzuräumen, keine unwillkommenen Spuren zu hinterlassen. Er durfte niemanden belästigen mit den Überbleibseln eines verfehlten Lebens; nicht diese Schuld auch noch.
Und dann die Tür öffnen und leise hinter sich zuziehen. Und sich den Beinen überlassen, die einen forttragen, die Gasse zum Stadttor entlang und hinaus aus der Stadt, immer weiter und weiter und weiter, den beiden Monden entgegen, um mit ihnen zu verschmelzen …
Die fahrende Händlerin
Auf ihrer Reise zwischen den einsamen Landsitzen der Haarteppichknüpfer traf sie oft wochenlang nur Frauen. Die Hauptfrauen, Nebenfrauen und Töchter der Haarteppichknüpfer konnten sie kaum schnell genug in ihre Küche hereinbitten, aber es waren nicht ihre Stoffe und Haushaltsgeräte, die so ungeduldig erwartet wurden, sondern die Neuigkeiten, die sie über andere Familien und über Ereignisse in der Stadt zu erzählen wusste. Da saß sie dann stundenlang mit den Frauen, und oft war es mühsam und erforderte raffinierte Wendungen im Gespräch, um ihre Waren ins Spiel zu bringen. Neue Rezepte, das war ihr Lieblingskniff. Ubhika kannte eine enorme Menge ungewöhnlicher Rezepte, sowohl für Speisen als auch für Schönheitsmittel aller Art, die eines gemeinsam hatten: Man brauchte dazu entweder
Weitere Kostenlose Bücher