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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ein spezielles Gerät oder ein spezielles Gewürz, oder sonst etwas Spezielles, das man bei ihr kaufen musste.
    Wenn sie Glück hatte, bekam sie, weil es oft Abend wurde über dem Klatsch und Tratsch, auch noch ein Lager für die Nacht. Heute hatte sie kein Glück gehabt, und was sie besonders ärgerte, war, dass sie es sich von vornherein hätte denken können. Im Haus des Ostvan hatte Gastfreundschaft noch nie viel gegolten – schon beim alten Ostvan nicht, und bei seinem Sohn erst recht nicht. Kurz vor Einbruch der Dämmerung war der junge Haarteppichknüpfer griesgrämig in die Küche gekommen und hatte gesagt, dass es nun wohl an der Zeit für die Händlerin sei, weiterzuziehen. Und das in einem Ton, der alle hatte zusammenzucken lassen vor Schreck und Schuldbewusstsein. Für einen Moment war Ubhika sich vorgekommen wie eine Einbrecherin, nicht wie eine Händlerin.
    Wenigstens hatte eine der Frauen ihr noch geholfen, die Yuk-Esel wieder zu bepacken mit den Körben und Ledersäcken und Bündeln, sonst hätte sie den steilen Abstieg vom Ostvan-Haus nicht mehr bei Tageslicht geschafft. Dirilja war ihr Name, eine kleine, stille Frau, die das heiratsfähige Alter auch schon eine Weile hinter sich hatte und die bei den Gesprächen nie viel sagte, nur immer traurig dreinblickte. Ubhika hätte zu gern gewusst, warum. Aber so war das mit den Frauen der Haarteppichknüpfer: Irgendwann tauchten sie auf und waren da, und die meisten erzählten nicht viel über ihre Herkunft. Dirilja war die letzte Nebenfrau gewesen, die sich der alte Ostvan genommen hatte, kurz vor seinem Tod. Was seltsam war, denn sein Teppich musste damals schon fertig gewesen sein, und Diriljas Haare waren überdies trocken und brüchig, also ungeeignete Qualität für einen Haarteppich. Das zu beurteilen traute Ubhika sich zu, denn auch ihre eigenen Haare waren so gewesen, schon zu Zeiten, als das Silbergrau des Alters noch nicht einmal zu ahnen gewesen war. Diese Dirilja, was mochte sie mit dem alten Ostvan angestellt haben? Eine rätselhafte Geschichte.
    Die Sonne sank rasch dem Horizont entgegen und warf lange, irritierende Schatten zwischen die Hügel und kahlen Felsen, und es wurde empfindlich kühl. Als Ubhika den Wind beißend unter ihren Rock fahren spürte, ärgerte sie sich über sich selbst, dass sie sich so lange hatte aufhalten lassen. Wenn sie rechtzeitig aufgebrochen wäre, hätte sie noch das Haus Borlons erreichen können, wo sie immer über Nacht bleiben durfte.
    Aber so blieb wieder einmal nur das Zelt. Ubhika hielt Ausschau nach einem geschützten Platz, einer kleinen Höhle oder einem Überhang, und fand schließlich eine Vertiefung im Windschatten eines Felsens, zu der sie ihre Tiere dirigierte. Sie band sie an Stöcken fest, die sie mühsam mit einem Stein in die Erde hämmerte, nahm den beiden Pack-Yuks die Lasten ab und verband schließlich allen drei Tieren die Augen: Das war die sicherste Methode zu verhindern, dass sie das Weite suchten, wenn ein Geräusch sie nachts erschreckte. Dann baute sie das kleine Zelt auf, polsterte es mit ein paar Lagen des billigeren Stoffes aus und kroch hinein.
    Und dann lag sie wieder da, hörte das Knacken der Steine und das Rascheln von Insektenfüßen und spürte, dass sie ganz allein mitten in der Wildnis lag, geschützt nur von einem winzigen Zelt und zwei Packen Lebensmitteln und Stoffen und Gerätschaften rechts und links, und dachte wie immer darüber nach, dass sie sich niemals daran würde gewöhnen können. Dass es eigentlich anders hätte sein müssen. Und wie immer strich sie vor dem Einschlafen über ihren Körper, als müsse sie sich vergewissern, dass er noch da war, spürte ihre Brüste, die immer noch fest waren, trotz ihres Alters, und sich gut anfühlten, strich über ihre Hüften und war traurig, dass niemals Männerhände diese Hüften berührt hatten.
    Als sie im heiratsfähigen Alter gewesen war, hatte sie keinen Mann abbekommen, und mit ihren brüchigen Haaren hatte sie nicht damit rechnen können, Nebenfrau eines Haarteppichknüpfers zu werden. So war ihr nur das einsame Geschäft einer fahrenden Händlerin übrig geblieben. Manchmal hatte sie sich überlegt, ob sie auf die derben Anzüglichkeiten mancher Handwerker oder Viehzüchter eingehen sollte, aber inzwischen blieben auch diese Annäherungen aus.
    Irgendwann schlief sie ein, wie immer, und erwachte in der frühen Kühle des Morgens. Wenn sie dann fröstelnd aus ihrem Zelt kroch, eine Stoffbahn um den Körper

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