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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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beim Trinken mit jedem mithalten konnte. Ein bisschen erinnerte er sie an einen Jungen, in den sie einst verliebt gewesen war als ganz junges Mädchen. Da war allerdings nie etwas geschehen; er hatte eine andere geheiratet und das Handwerk eines Töpfers erlernt und war vor einigen Jahren gestorben.
    Sie ermahnte sich, wieder ans Geschäft zu denken. Wer immer der Mann war, er hatte gefragt, was sie zu verkaufen hatte. »Ja«, wiederholte sie. »Was wollt Ihr kaufen, Nillian?«
    Der Mann ließ seinen Blick über die beiden hoch bepackten Yuk-Esel wandern. »Habt Ihr Kleidung?«
    »Sicher.« Zwar hatte sie vor allem Stoffe, aber auch einige fertige Kleidungsstücke für Männer.
    »Ich möchte mich gern so einkleiden, wie es in dieser Gegend Brauch ist.«
    Ubhika sah sich um. Sie sah nirgends ein Reittier. Wenn der Mann von so weit her kam – wie war er dann hierhergekommen? Doch wohl kaum zu Fuß. Und wieso stand er hier, als hätte er gewusst, dass er hier auf eine Händlerin treffen würde? Irgendetwas ging hier vor, das sie nicht verstand.
    Aber zuerst das Geschäft. »Könnt Ihr bezahlen?«, fragte Ubhika. »Denn das ist hier in dieser Gegend auch ein Brauch – dass man bezahlt.«
    Der Mann lachte und meinte mit einer weit ausholenden Geste: »Das ist kein ungewöhnlicher Brauch; den findet man überall im Universum.«
    »Davon verstehe ich nichts. Jedenfalls habe ich Kleider für Euch, wenn Ihr Geld habt.«
    »Ich habe Geld.«
    »Gut.«
    Ubhika stieg ab, und sie merkte, dass der Blick des Mannes ihr folgte. Unwillkürlich bewegte sie sich forscher, als sie es sonst tat, als gelte es zu beweisen, dass sie noch stark und geschickt war und nicht so alt, wie es ihr magerer Leib und ihre faltige, wettergegerbte Haut vermuten ließen. Im nächsten Moment ärgerte sie sich über sich selbst und zerrte das Bündel mit den Männerkleidern unwirsch aus ihrem Gepäck.
    Sie rollte es auf dem Boden aus, und als sie hochsah, hielt er ihr ein paar Münzen auf der ausgestreckten Hand entgegen. »Das ist das Geld, das man bei uns bekommt«, erklärte er. »Seht erst einmal, ob Ihr es haben wollt.«
    Ubhika nahm eine der Münzen aus seiner Hand. Sie war anders als die Münzen, die sie kannte -feiner geprägt, glänzend, aus einem Metall, das sie noch nie gesehen hatte. Eine schöne Münze. Aber kein Geld.
    »Nein«, sagte sie bedauernd und gab ihm die Münze zurück. »Dafür kann ich euch nichts verkaufen.« Und dabei wäre ihr ein kleines unerwartetes Geschäft so zupass gekommen.
    Der Fremde betrachtete die Münze, als sähe er sie zum ersten Mal. »Was ist daran auszusetzen?«, fragte er. »Gefällt sie Euch nicht?«
    »Sie gefällt mir schon«, versetzte Ubhika. »Aber das ist nicht die Frage. Bei Geld kommt es darauf an, dass es den anderen gefällt.«
    Sie begann das Bündel wieder einzurollen.
    »Halt, wartet!«, rief der Mann. »Wartet noch einen Moment. Lasst uns noch verhandeln. Vielleicht kann ich Euch etwas geben im Tausch?«
    Ubhika hielt inne und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Was zum Beispiel?«
    »Ich weiß nicht … Vielleicht die Kleidung, die ich trage?«
    Ubhika versuchte sich vorzustellen, wer ein derartig seltsames Kleidungsstück tragen würde. Kein Mensch, der halbwegs bei Sinnen war. Und ob man irgendetwas anderes daraus machen konnte, war sehr die Frage … Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Wartet. Dann etwas anderes. Hier, mein Armreif. Ich habe ihn von meiner Mutter bekommen; er ist wirklich sehr wertvoll.«
    Er ist kein guter Händler, dachte Ubhika belustigt. Er wollte ihre armseligen Kleidungsstücke unbedingt, und er versuchte nicht einmal, es zu verbergen. Er war wie ein offenes Buch. Jede seiner Bewegungen sagte: Bitte, gib sie mir; ich bezahle dir dafür, was du willst. Er tat ihr fast Leid.
    »Ihr habt unser Geld nicht, Nillian, und man merkt Eurer Sprache an, dass Ihr von weit her kommt«, meinte sie. »Es wird Euch nicht viel nützen, Euch zu kleiden wie die Leute hier.«
    »Der Armreif«, wiederholte er und streckte ihr das Schmuckstück hin, das er, wie sich Ubhika zu erinnern glaubte, am rechten Handgelenk getragen hatte. »Wie gefällt er Euch?«
    Sie nahm ihm den Armreif aus der Hand und erschauerte, als sie spürte, wie schwer und kühl er sich anfühlte. Er war aus einem glatten, gelb glänzenden Metall und trug feine, glitzernde Muster auf der Außenseite. Als sie die Muster aus der Nähe betrachtete, bemerkte sie, dass ein starker Geruch von dem Reif ausging, ein schwerer,

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