Die Haarteppichknüpfer - Roman
übrige Zeit saß er meist in einer Ecke, den Rücken gegen die Wand gelehnt, und dachte nach. Die Gesichter seiner Freunde tauchten auf, wie um Abschied zu nehmen, und Episoden aus seinem Leben, als verlangten sie Rechenschaft. Nein, er bereute nichts. Er würde alles noch einmal genau so machen. Auch diesen Erkundungsflug, der sich als raffinierte Falle entpuppt hatte. Das hatte niemand ahnen können. Er hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen.
Manchmal schwiegen die Gedanken auch. Dann saß er nur da und sah sein undeutliches Spiegelbild in der Wand gegenüber und spürte einfach nur, dass er am Leben war. Er würde es nicht mehr lange sein. Jeder Moment war jetzt kostbar.
In diesen Augenblicken hatte er Frieden mit sich.
Dann gab es Momente der Angst. Die Gewissheit, dass der Tod nahe und unausweichlich ist, weckt eine animalische, jahrmillionenalte Angst, eine Angst, die sich jeder Einsicht verweigert, die jede Überlegung beiseite fegt und jede höhere Notwendigkeit überrollt, die aufsteigt aus den dunkelsten Tiefen der Seele und zu einer schrecklichen Flut wird. Wie ein Ertrinkender suchte er in diesen Stunden nach einer Hoffnung, nach einem Ausweg, und fand nur Ungewissheit.
Allmählich verlor er sein Zeitgefühl. Es wurde ihm bald unmöglich zu sagen, wie lange er schon eingesperrt war, Tage oder Monate. Vielleicht hatte man ihn vergessen. Vielleicht würde er hier einfach Jahr um Jahr eingesperrt bleiben, alt werden und sterben.
Sie kamen, als er schlief. Aber das Geräusch von Schlüsseln im Schloss seiner Zellentür ließ ihn von einer Sekunde auf die andere wach und auf den Beinen sein.
Es war also so weit. Die Tortur begann. Er zählte sechzehn Soldaten der kaiserlichen Garde, die dicht gedrängt auf dem Gang standen, alle mit Narkosegewehren bewaffnet. Sie dachten immer an alles. Er hatte keine Chance.
Einer von ihnen, ein untersetzter Mann mit schütterem Haar, das Gesicht von Härte gezeichnet, trat in den Türrahmen.
»Rebell Jubad? Mitkommen«, befahl er barsch.
Zwei Soldaten näherten sich ihm vorsichtig und legten ihm Fesseln an, sodass er nur noch ganz kleine, trippelnde Schritte machen konnte. Dann banden sie seine Handgelenke aneinander und legten ihm eine Kette um den Bauch. Jubad ließ es mit sich geschehen. Als sie ihm bedeuteten, sich in Bewegung zu setzen, gehorchte er.
Sie gingen einen Gang entlang, der hell erleuchtet war, und erreichten einen breiten Tunnel, in dem ein schwer gepanzerter Transporter sie mit geöffneten Türen erwartete. Es gab keine Gelegenheit zur Flucht und keine Gelegenheit, sich in einen Abgrund oder in tödliches Sperrfeuer zu stürzen. Sie befahlen ihm, einzusteigen, setzten sich rings um ihn herum, und die Fahrt begann.
Es schien immer nur geradeaus zu gehen, stundenlang. Manchmal fuhren sie in vollkommener Dunkelheit, dann wirkten die Gesichter der Soldaten, die ihn keinen Augenblick aus den Augen ließen, im spärlichen Licht der Armaturen wie die Fratzen von Dämonen. Einige Male mussten sie vor gefährlich schimmernden Energieschirmen anhalten und eine eingehende Inspektion durch Aufseher abwarten, die in einer gepanzerten Kabine saßen und lange Telefonate führten, ehe sie die Sperren abschalteten und die Weiterfahrt gestatteten. Die ganze Zeit wurde im Inneren des Transporters kein Wort gesprochen.
Irgendwann fuhren sie wieder durch Dunkelheit, fuhren wieder auf einen hellen Fleck in der Ferne zu – und plötzlich schoss der Transporter aus einer Öffnung in einer steilen Felswand und schwebte auf seinen Antischwerkraftfeldern geradeaus weiter, frei durch die Luft. Jubad sah sich staunend um, saugte den überwältigenden Anblick in sich auf. Sie zogen ihre Bahn hoch über einem tintenblauen, ruhigen Meer, das sich von Horizont zu Horizont erstreckte und das den gewaltigen, makellos azurnen Dom des Himmels über ihnen trug. Hinter ihnen blieb ein zerklüftetes, steil in den Ozean abfallendes Felsmassiv zurück, und vor ihnen – vor ihnen lag, gleißend im Sonnenlicht und unüberschaubar in seiner kaum fassbaren Ausdehnung, der Palast des Kaisers.
Der Sternenpalast. Jubad hatte Bilder gesehen, aber kein Bild konnte die stolze, verschwenderische Pracht dieses riesigen Bauwerks angemessen wiedergeben. Dies war der Sitz des Kaisers, des unsterblichen Herrschers über alle Menschen, und damit das Herz des Reiches. Kein Rebell, der nicht davon träumte, an diesen Ort zu gelangen – als Sieger. Jubad kam als Gefangener. Sein Blick umwölkte
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