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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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langsam dunkler. Sobald sie einen bestimmten dunklen, fast schwarzen Farbton erreicht haben würde, musste sie injiziert werden. Es würde höllisch brennen, stundenlang, aber es würde den Fortschritt der Krankheit hemmen. Jubad begann, sein Hemd auszuziehen.
    Ödfraß. So nannte man die Krankheit auf Jehemba. Behutsam löste Jubad die Manschette, die gesunde Haut vortäuschte. Darunter kam die Haut eines uralten Mannes zum Vorschein; faltig und rissig und welk fiel sie über harte, eingeschrumpfte Muskelstränge, die kaum dicker waren als ein kleiner Finger.
    Plötzlich musste er wieder an das Archiv denken und an den kleinen Jungen. Und an früher, an eine lange, lange zurückliegende Zeit, als der Kaiser noch gelebt und ihn, Jubad, den Rebellen, in seiner Gewalt gehabt hatte.
    Es musste ein Geheimnis bleiben. Niemand durfte erfahren, dass der rechte Arm des Berenko Kebar Jubad verdorrte – der Arm, mit dem er den Kaiser getötet hatte …

Der Kaiser und der Rebell
    Er erwartete nichts mehr, nur noch seinen Tod. Und der würde furchtbar sein, furchtbar für ihn und noch furchtbarer für die, die von seinem Schweigen abhingen. Das Leben tausender, womöglich sogar die Zukunft der gesamten Bewegung hing davon ab, dass er Schweigen bewahren konnte über die Geheimnisse, die man ihm anvertraut hatte. Und er wusste, dass er es nicht würde bewahren können.
    Die Schergen des Kaisers würden mit allen Mitteln, die ihnen zu Gebote standen, versuchen, sein Schweigen zu brechen. Und das waren schreckliche Mittel, grausame Prozeduren, denen er nichts entgegenzusetzen hatte. Schmerzen erwarteten ihn, die alles übersteigen würden, was er je an Schmerzen erfahren hatte. Und Schmerzen würden nicht alles sein. Es gab andere Verfahren, trickreiche, ausgeklügelte Methoden, gegen die Willensstärke nichts ausrichtete. Sie würden ihm mit Drogen zusetzen. Sie würden Nervensonden einsetzen. Sie würden Geräte verwenden, von denen er noch nie zuvor gehört hatte, und schließlich würden sie ihn zum Sprechen bringen. Irgendwann würden sie alles erfahren, was sie wissen wollten.
    Es gab nur eine Rettung, nur eine Hoffnung: Er musste sterben, bevor sie ihn so weit hatten.
    Aber das war nicht so einfach. Wenn er eine Möglichkeit gesehen hätte, seinem Leben selber ein Ende zu bereiten, er hätte nicht einen Moment gezögert. Aber sie hatten ihm alles genommen, zuerst die Giftkapsel, die jeder Rebell bei sich trug, und dann jedes andere Ausrüstungsstück, alles. Sie hatten jede seiner Körperöffnungen auf verborgene Gegenstände untersucht und ihn von Kopf bis Fuß durchleuchtet. Alles, was er nun auf dem Leib trug, war ein dünner, leichter Anzug aus einem watteartigen Stoff.
    Die Zelle, in die sie ihn gesteckt hatten, war klein und völlig leer, geradezu aseptisch rein. Die Wände bestanden aus blankem, spiegelglattem Stahl, ebenso Decke und Boden. Es gab einen kleinen Hahn, aus dem lauwarmes Wasser tröpfelte, wenn er ihn öffnete, und einen fest mit dem Boden verschraubten Behälter für seine Notdurft. Das war alles. Keine Matratze, keine Decke. Er musste auf dem blanken Boden schlafen.
    Er hatte daran gedacht, sich in einer raschen, verzweifelten Aktion an den Wänden den Schädel einzurennen – rasch, ehe sie ihn daran hindern konnten. Aber eine Handbreit über den Wänden begann ein Kraftfeld, das schnelle Bewegungen unmöglich machte und das bei derartigen Versuchen wie Gummi wirkte, nur besser.
    Es war warm. Wände und Boden schienen geheizt zu sein; er vermutete, dass ganz in der Nähe seiner Zelle eine große Maschine installiert war, ein Generator vielleicht, denn wenn er am Boden lag, konnte er feine Vibrationen spüren. Das Licht aus den drei Leuchtelementen in der Decke erlosch nie, und er war sicher, dass er beobachtet wurde, wenn er auch keinen Anhaltspunkt hatte, auf welche Weise.
    In der Tür gab es eine halbrunde Klappe, die sich ab und zu schloss, und wenn sie sich wieder öffnete, stand seine tägliche Mahlzeit darin. Es war immer das Gleiche, ein geschmackloser, dünner Brei in einem durchsichtigen Napf. Das war das Einzige, was man ihm angedroht hatte: Wenn er die Nahrung verweigerte, würde man ihn festbinden und künstlich ernähren. Also aß er. Es gab keinen Löffel, er musste den Brei trinken. Der Napf selber war ebenfalls weich und zerbrechlich und nicht dazu geeignet, sich damit die Pulsadern aufzuschneiden oder dergleichen.
    Das war die einzige Abwechslung und sein einziges Zeitmaß. Die

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