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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sich bei dem Gedanken an die Schrecken, die ihm dort bevorstehen mochten.
    Der Transporter sank tiefer, bis sie so dicht über der Meeresoberfläche dahinschossen, dass man die Wellenkämme der unmerklichen Dünung mit den Händen hätte berühren können. Die Umfriedungsmauern des Palastes kamen rasch näher, wurden höher und höher. Ein Tor öffnete sich wie ein Schlund und verschluckte sie, und dahinter lag eine hohe Halle, in deren Mitte der Transporter landete.
    »Du wirst der Leibgarde des Kaisers übergeben«, sagte der Kommandant.
    Jubad zuckte zusammen. Das hieß nichts Gutes. Die Leibgarde des Kaisers, das waren die Ergebensten der Ausgesuchtesten, die Elite der Elite, dem Kaiser ergeben bis in den Tod und rücksichtslos gegen sich und andere. Zwölf von ihnen, gewaltige Hünen in goldenen Uniformen, die einander ähnelten wie Brüder, erwarteten ihn bereits am Landeplatz.
    »Zu viel der Ehre«, murmelte Jubad beklommen.
    Die Leibgardisten nahmen ihn in ihre Mitte und warteten mit reglosen Gesichtern, bis der Transporter wieder abgeflogen war. Dann bückte sich einer und nahm ihm die Fußfesseln ab. Herablassung war in dieser Geste zu spüren. Uns entkommst du auch nicht, wenn du laufen kannst, schien er ihm damit sagen zu wollen.
    Sie führten ihn durch endlose Gänge. In Jubad pochte die Angst, aber er sog jeden Schritt und jeden Augenblick in sich ein. Bald schon, im nächsten Gang oder vielleicht im übernächsten, musste sich die Tür zu dem Raum öffnen, in dem er sein Leben beenden würde. Das sterile Glitzern der Instrumente in diesem Raum würde das letzte Licht in seinen Augen sein und seine eigenen Schreie die Laute, die er mitnehmen würde in die ewige Dunkelheit …
    Es ging über einige breite Treppen hinauf. Jubad registrierte es verwirrt. Unwillkürlich hatte er angenommen, die Verhörräume und Folterkammern würden in den Tiefen des Palastes liegen, in den untersten Kellern, wo niemand lebte und niemand irgendwelche Schreie hören konnte. Doch die Gardisten führten ihn in ihrem knallenden Gleichschritt über spiegelnden Marmor, durch goldgefasste Portale und prachtvolle Hallen voller Kunstschätze aus allen Galaxien des Reiches. Sein Herz schlug wie ein Hammer in seiner Brust, als sie durch eine kleine Seitentür traten, doch dahinter war nur ein schmuckloser, weißer Raum, in dem außer einigen Sesseln und einem Tisch nur ein kleines Schaltpult stand. Sie bedeuteten ihm, stehen zu bleiben, bezogen Position im Raum und an den Türen und warteten. Nichts geschah.
    »Worauf warten wir?«, fragte Jubad schließlich.
    Einer der Gardisten wandte sich ihm zu. »Der Kaiser will dich sehen«, sagte er. »Schweig.«
    Jubads Gedanken machten einen Satz vorwärts, einen Salto rückwärts und dann einen Knoten, und sein Unterkiefer fiel ihm plötzlich haltlos herab. Der Kaiser? Er spürte einen heißen Schreck in sich aufflammen. Noch nie hatte man davon gehört, dass der Kaiser in eigener Person an einem Verhör teilgenommen hätte.
    Der Kaiser wollte ihn sehen. Was konnte das zu bedeuten haben?
    Es dauerte eine ganze Weile, bis dem Rebellen dämmerte, was das hieß. Das hieß, dass gleich der Kaiser selbst hierher kommen würde. Hierher, in diesen Raum. Wahrscheinlich durch die Tür, die rechts und links von je zwei Soldaten bewacht wurde. Der Kaiser würde hierher kommen und dem Rebellen gegenübertreten.
    In Jubad rannten die Gedanken los wie eine aufgescheuchte Herde. War das eine Chance? Wenn er den Kaiser selbst anzugreifen versuchte, würden sie ihn bestimmt töten, töten müssen, schnell und schmerzlos. Das war die Chance, auf die er gewartet hatte. Er würde dem Tyrannen zeigen, wie ein Rebell zu sterben verstand.
    Mitten in Jubads Gedanken ging die Tür auf. Die Leibgardisten nahmen Haltung an. Gemessenen Schrittes kam ein älterer, leicht untersetzter Mann herein, der gegen die Leibgardisten wie ein Zwerg wirkte. Er hatte angegraute Schläfen und trug eine geradezu monströse Uniform, über und über mit Glitzerkram behängt. Würdevoll sah er sich um und sagte dann:
    »Der Kaiser.«
    Mit diesen Worten sank er auf die Knie, streckte die Arme aus und beugte sich demütig vornüber, bis er mit der Stirn den Boden berührte. Die Leibgardisten taten es ihm gleich, und schließlich war Jubad der Einzige, der noch stand.
    Und dann betrat der Kaiser den Raum.
    Es gibt Dinge, die man vergisst, und Dinge, an die man sich erinnert, und unter diesen gibt es einige wenige Augenblicke im Leben, die

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