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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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schluckt. »Aber wie …«

    Auf der anderen Seite des Gartens sagt jemand: »Du liebe Güte.« Elina ist schneller auf den Beinen, als sie denken kann. Teds Mutter hält Jonah mit gerümpfter Nase auf Armeslänge von sich. »Ich glaube, da braucht jemand eine f rische Windel.«
    »Natürlich.« Elina nimmt ihn ihr ab, legt ihn sich an die Schulter, bringt ihn ins Haus. Jonah wühlt seine Finger in ihr Haar und sagt ihr »ör-blör-mg« ins Ohr, als ob er ihr ein Geheimnis anvertrauen will.
    »Danke gleichfalls«, flüstert sie, schnappt sich in der Diele mit einer Hand die Wickeltasche und geht aufs Gäste-WC, das bei Teds Mutter »der Waschraum« heißt, weshalb Elina anfangs immer dachte, man könne sich darin nur waschen. Sie packt die Feuchttücher aus, die frische Windel, die Papiertaschentücher und legt sie sich neben dem Waschbecken zurecht. Sie setzt sich auf den Toilettendeckel, packt sich Jonah auf den Schoß.
    »Iiiiiööööörrrrkkkkk!«, quietscht er f röhlich, während er nach seinen Zehen, ihrem Haar und ihrem Ärmel greift, so laut, dass sein Quietschen von den Wänden des kleinen WCs wiederhallt.
    »Au.« Sie löst ihre Haare aus seinen Finger und knöpft seinen Strampler auf. »Du kannst aber laute Töne machen. Und was für Töne!« Sie hält inne. Dann sagt sie: »Oh.«
    Die halb flüssige Kacke hat sich über Jonahs Beinchen und seinen halben Rücken verteilt. Sie hat sich in sein Hemdchen gesogen, in seinen Strampler, sein Jäckchen, und - daran denkt sie erst jetzt - in ihren Rock. So eine Bescherung haben sie seit Ewigkeiten nicht mehr gehabt, und natürlich musste es ausgerechnet hier passieren, ausgerechnet heute.
    »Mist«, schimpft sie. »Mist, Mist.« Während sie die letzten
Druckknöpfe aufknöpft und Jonahs Händchen vorsichtig aus den Ärmeln zieht, passt sie auf, dass sie ihn nicht noch mehr beschmiert. Aber das Ausziehen geht Jonah offenbar ein bisschen zu weit. Er verzieht zweifelnd das Gesicht, seine Unterlippe zittert.
    »Nein, nein, nein, nein«, sagt Elina. »Ist schon gut, ist ja schon gut. Gleich haben wir’s.« Eilig zieht sie den Strampler unter ihm weg, um die letzten Etappen möglichst schnell hinter sich zu bringen. Als sie ihm das Hemdchen über den Kopf zieht, stößt er ein Wutgebrüll aus. Sie muss wohl aus Versehen an seinem Ohr hängen geblieben sein. Er macht sich ganz steif, holt krampfhaft Luft und brüllt erst richtig los.
    Elina knüllt die verdreckten Sachen zusammen und wirft sie auf den Boden. Sie dreht den schreienden, strampelnden Jonah um, sie macht seinen Rücken sauber, so schnell es geht. Es ist furchtbar warm in der Toilette. Sie hat Schweißperlen auf der Lippe, ist klitschnass unter den Armen, feucht läuft es ihr den Rücken hinunter. Jonah ist außer sich vor Empörung, sein nackter kleiner Körper ist glitschig von den Feuchttüchern, und sie hat Angst, ihn fallen zu lassen. Sie reckt sich gerade nach der frischen Windel - sobald er sie um hat, kann nichts mehr passieren -, als sie fühlt, wie er sich innerlich anspannt. Jetzt hat sie die Windel in der Hand, gleich ist es geschafft, nur noch wenige Sekunden, da blickt sie nach unten und sieht, dass Jonah sich ein zweites Mal entleert.
    Es ist eine unglaubliche Ladung. Die sich mit unglaublicher Wucht entlädt. Aber darüber kann sie jetzt nicht nachdenken. Es spritzt an die Wand, auf den Boden, auf ihren Rock, ihre Schuhe. Wie aus großer Ferne hört sie sich »O Gott« sagen. Einen Augenblick lang ist sie wie versteinert,
sie kann sich nicht bewegen, kann keinen klaren Gedanken fassen. Sie klemmt sich die Windel unter das Kinn, und während sie noch nach den Feuchttüchern tastet, kommt bereits der nächste Schwall. Sie denkt: Der Waschraum von Teds Mutter ist von oben bis unten vollgeschissen. Der Waschraum. Und ich. Und Jonah. Ihr kommen die Tränen. Sie weiß nicht, was sie zuerst säubern soll. Das Kind? Die Wand? Die Fußleiste? Das schneeweiße Gästetuch? Ihren Rock? Ihre Schuhe? Sie hat die weiche, klebrige Kacke zwischen den Zehen. Sie saugt sich durch ihren Rock in ihre Unterwäsche. Der Gestank ist unbeschreiblich. Und Jonah hört nicht auf zu schreien.
    Elina beugt sich vor und entriegelt die Tür. »Ted!«, ruft sie. »TED!«
    Clara kommt in die Diele gesegelt - seidener Faltenrock, goldene Schuhe mit Wadenriemchen, eine Augenbraue in die Höhe gezogen. »Hi«, sagt Elina durch den Türspalt, um einen möglichst gefassten Ton bemüht. »Würdest du bitte Ted f ragen, ob er

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