Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
Vom Netzwerk:
gehen.
    Wenn man einen Mann aufhalten wollte, der ein überwältigendes Bedürfnis nach vollkommener Kontrolle hat - der ein überwältigendes Bedürfnis zu töten hat, um diese Kontrolle zu erlangen -, musste man genau das Gegenteil von dem machen, was einem alle Instinkte sagten. Und mit Madeleines bergquellklarem Satz im Kopf wusste er auf einmal ganz genau, was er zu tun hatte. Es war ungeheuerlich,
völlig unverantwortlich und rechtlich völlig unhaltbar, wenn es nicht funktionierte.
    »Jetzt! Jetzt, Gregory!«, zischte er. »Knall ihn ab!«
    Einen Moment lang hatten beide Männer Mühe, das Gehörte zu verarbeiten, so wie sie vielleicht Mühe gehabt hätten, einen Donnerschlag an einem wolkenlosen Tag zur Kenntnis zu nehmen. Dermotts tödliche Konzentration war erschüttert, und der Revolver in der Gans bewegte sich ein wenig in Gurneys Richtung.
    Dermotts Mund verzog sich zur morbiden Imitation eines Grinsens. »Wie bitte?«
    Gurney war sich sicher, in der gespielten Lässigkeit ein nervöses Beben wahrgenommen zu haben. »Du hast mich genau gehört, Gregory. Ich hab dir gesagt, du sollst ihn abknallen.«
    »Sie haben mir … gesagt? «
    Gurney seufzte mit gekünstelter Ungeduld. »Du verschwendest meine Zeit.«
    »Ich verschwende …? Was soll das, verdammt noch mal?« Der Revolver in der Gans drehte sich weiter in Gurneys Richtung. Jede gespielte Lässigkeit war verschwunden.
    Nardo riss die Augen auf. Der Aufruhr von Emotionen darin war nur schwer zu taxieren. Als hätte ihn Nardo gefragt, was das alles sollte, wandte sich Gurney möglichst beiläufig an ihn. »Gregory bringt gern Leute um, die ihn an seinen Vater erinnern.« Ein erstickter Laut wie der Beginn eines Wortes oder Schreis drang aus Dermotts Kehle. Entschlossen richtete Gurney sein Augenmerk weiter auf Nardo und fuhr im gleichen leblosen Ton fort. »Aber manchmal braucht er einen kleinen Stups. Verzettelt sich in Kleinigkeiten. Und dummerweise macht er auch noch Fehler. Er ist nämlich nicht so schlau, wie er glaubt. Ach
du Schande!« Er hielt inne und bedachte Dermott, dessen Kiefermuskeln arbeiteten, mit einem spekulativen Lächeln. »Da tun sich ja echte Möglichkeiten auf. Klein Gregory, nimm dich in Acht. Bist nicht so schlau, wie du’s gedacht. Wie findest du das, Gregory? Meinst du, daraus könnte ein neues Gedicht werden?« Fast hätte er dem fassungslosen Mörder zugezwinkert, aber das wäre vielleicht zu viel des Guten gewesen.
    Dermott starrte ihn an, und aus seinem Blick sprach Hass, Verwirrung - und noch etwas anderes. Gurney hoffte, dass es ein Knäuel aus Fragen war, denen ein Kontrollfreak unbedingt nachgehen musste, ehe er den einzigen Menschen tötete, der sie beantworten konnte. Der angespannte Ton von Dermotts nächster Bemerkung bestärkte ihn in dieser Hoffnung.
    »Fehler?«
    Gurney nickte bedauernd. »Leider sogar einige.«
    »Sie lügen, Detective. Ich mache keine Fehler.«
    »Ach nein, und wie nennst du so was dann? Die Patzer von Dickie Duck?«
    Noch während des Sprechens fragte er sich, ob er einen Schritt zu weit gegangen war. Wenn ja, würde er es unter Umständen nie erfahren, je nachdem, wo ihn die Kugel traf. Auf jeden Fall gab es keine sichere Rückzugsroute mehr. Ein leichtes Beben huschte über Dermotts Mundwinkel. Seine gemütliche Position im Bett stand im grotesken Widerspruch zum Ernst der Situation.
    In Wirklichkeit wusste Gurney nur von einem Fehler, der Dermott unterlaufen war. Ein Fehler im Zusammenhang mit Kartchs Scheck, den er selbst erst vor einer Viertelstunde beim Betrachten von dessen Kopie auf dem Lampentischchen entdeckt hatte. Wenn er nun behauptete, den Fehler und seine Bedeutung von Anfang an
erkannt zu haben - welche Wirkung würde das auf den Mann haben, der so verzweifelt auf die Überzeugung angewiesen war, dass er alles unter Kontrolle hatte?
    Wieder fiel ihm Madeleines Maxime ein, nur dass er sie diesmal umdrehen musste. Wenn du nicht zurückkannst, dann volle Kraft voraus. Er wandte sich an Nardo, als könnte man den Serienmörder im Zimmer getrost links liegenlassen.
    »Einer der dümmsten Schnitzer ist ihm passiert, als er mir die Namen der Leute genannt hat, die ihm Schecks geschickt hatten. Einer von den Typen hieß Richard Kartch. Das Dumme ist, Kartch hat den Scheck in einen schlichten Umschlag ohne zusätzliche Notiz gesteckt. Sein Name war nur auf dem Scheck vermerkt. Und zwar R. Kartch, und so hat er auch unterschrieben. Das ›R.‹ hätte die Abkürzung für Robert,

Weitere Kostenlose Bücher