Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
Vom Netzwerk:
er muss, und versuchen, den Lärm auf andere Weise in den Griff zu kriegen.«

    »Wenn Sie von rituell sprechen, fällt mir sofort ein Psychopath ein. Für wie verrückt halten sie den Kerl?«
    » Verrückt ist meiner Meinung nach kein hilfreicher Begriff«, antwortete Gurney. »Jeffrey Dahmer wurde von einem Gericht für voll zurechnungsfähig erklärt, obwohl er seine Opfer gegessen hat. David Berkowitz wurde für zurechnungsfähig erklärt, obwohl er Menschen getötet hat, weil es ihm ein vom Satan gesandter Hund befohlen hat.«
    »Meinen Sie, mit so was haben wir es hier auch zu tun?«
    »Nicht genau. Unser Mörder ist besessen von Rachedurst - emotional gestört, aber wahrscheinlich nicht so stark, dass er Körperteile isst oder Befehle von einem Hund entgegennimmt. Er ist offenkundig krank, aber die DSM-Kriterien für eine Psychose sind durch nichts in seinen Briefen und Gedichten erfüllt.«
    Es klopfte an der Tür.
    Nachdenklich schürzte Kline die Lippen, als würde er Gurneys Einschätzung kritisch reflektieren. Vielleicht wollte er aber auch nur wie jemand erscheinen, der sich von einem bloßen Klopfen nicht ablenken ließ.
    »Herein«, sagte er schließlich mit lauter Stimme.
    Die Tür öffnete sich, und Rodriguez trat ein. Es gelang ihm nicht ganz, seinen Unmut über Gurneys Anwesenheit zu verbergen.
    »Rod!«, rief Kline. »Schön, dass Sie vorbeischauen. Nehmen Sie Platz.«
    Der Captain mied das Sofa, auf dem Gurney saß, und wählte einen Sessel, der im rechten Winkel zu Kline stand.
    Der Bezirksstaatsanwalt lächelte herzlich. Gurney vermutete, dass es die Vorfreude auf den Zusammenstoß unterschiedlicher Standpunkte war.

    »Rod wollte mich wissen lassen, wie er den Fall im Augenblick beurteilt.« Er klang wie ein Ringrichter, der die beiden Boxer miteinander bekannt macht.
    »Da bin ich schon gespannt«, bemerkte Gurney sanft.
    Aber nicht so sanft, dass Rodriguez darin keine versteckte Provokation erblickt hätte. Ohne lange Umschweife kam er zur Sache. »Alle sind auf die Bäume fixiert«, dröhnte er so laut, dass man ihn auch in einem viel größeren Raum gehört hätte. »Aber wir vergessen den Wald!«
    »Und der Wald ist …?«, soufflierte Kline.
    »Der Wald ist die grundsätzliche Frage der Gelegenheit. Alle verzetteln sich in Spekulationen zum Motiv und in den verrückten Details der Methode. Das lenkt uns von dem entscheidenden Punkt ab: ein Haus voll mit Drogensüchtigen und anderen kriminellen Scheißern, die problemlos Zugang zum Opfer hatten.«
    Gurney fragte sich, ob der Captain sich so echauffierte, weil er seine Kontrolle über den Fall bedroht sah, oder ob mehr dahintersteckte.
    »Was schlagen Sie also vor?«, fragte Kline.
    »Ich lasse alle Gäste noch mal vernehmen und ihren Hintergrund genauer überprüfen. Wir werden bestimmt ein paar Steine im Leben dieser widerlichen Kokser umdrehen. Ich sage Ihnen klipp und klar: Einer von denen war es, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir ihn schnappen.«
    »Was meinen Sie, Dave?« Mit betonter Beiläufigkeit versuchte Kline sein Vergnügen an dem von ihm provozierten Streit zu überspielen.
    »Weitere Vernehmungen und genaue Überprüfungen können nicht schaden«, erwiderte Gurney verbindlich.
    »Nicht schaden, aber auch nichts nützen?«

    »Das wissen wir erst hinterher. Es könnte auch hilfreich sein, die Frage der Gelegenheit und des Zugangs zum Opfer auf breiterer Basis anzugehen: zum Beispiel Gasthöfe und Zimmervermieter in der unmittelbaren Nachbarschaft, die vielleicht fast genauso günstig liegen wie die Unterkunft am Institut.«
    »Ich wette, dass es ein Gast war«, beharrte Rodriguez. »Wenn ein Schwimmer im haiverseuchten Wasser verschwindet, dann nicht, weil er von einem vorbeikommenden Wasserskifahrer gekidnappt wurde.« Er funkelte Gurney an, dessen Lächeln er als Herausforderung verstand. »Wir müssen endlich zur Realität zurückkehren!«
    »Kümmern wir uns um die Gasthöfe, Rod?«, hakte Kline nach.
    »Wir kümmern uns um alles.«
    »Gut. Dave, haben Sie noch was anderes auf Ihrer Prioritätenliste?«
    »Einiges, aber das läuft bestimmt schon alles: Laboruntersuchung des Bluts; ortsfremde Fasern am Opfer und in seiner Nähe; Marke, Verfügbarkeit und eventuelle Besonderheiten der Stiefel; ballistischer Vergleich der Patrone; Analyse des aufgezeichneten Anrufs bei Mellery mit Verstärkung der Hintergrundgeräusche; Zuordnung des Funkturms, wenn der Anruf von einem Handy kam; Festnetz- und

Weitere Kostenlose Bücher