Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
Vom Netzwerk:
Verärgert darüber, dass er etwas anderes erwartet hatte, zwang er sich, zum zwanzigsten Mal durchzugehen, was er über die Ereignisse in der Mordnacht zu wissen glaubte. Der Täter hatte das Grundstück zu Fuß von der Straße aus betreten. Er hatte einen Revolver Kaliber.38 Special, eine zerbrochene Flasche Four Roses, einen Gartenstuhl, ein zweites Paar Stiefel und vermutlich ein Abspielgerät mit dem Tierkreischen dabei, das Mellery aus dem Schlaf gerissen hatte. Er trug einen Tyvekoverall, Handschuhe und eine dicke Gänsedaunenjacke, mit der er den Schuss dämpfen konnte. Er hatte sich hinter die Scheune gesetzt, um Zigaretten zu rauchen. Er hatte Mellery hinaus auf die Terrasse gelockt, ihn erschossen und
danach mindestens vierzehnmal auf die Leiche eingestochen. Dann ging er in aller Ruhe achthundert Meter weit über den offenen Rasen in den Wald, hängte das zweite Paar Stiefel an einen Baumast und löste sich in Luft auf.
    Gurney merkte, dass er das Gesicht zu einer Grimasse verzogen hatte. Zum Teil lag das daran, dass es schon spät war und die feuchte Kälte immer stärker wurde. Aber vor allem lag es an der Erkenntnis, dass nichts von dem, was er über den Fall zu wissen glaubte, auch nur den geringsten Sinn ergab.

29
    Rückwärts
    November war der Monat, den er am wenigsten mochte, ein Monat schwindenden Lichts, der zwischen Herbst und Winter schwankte.
    Diese saisonale Stimmung verschärfte noch seinen Eindruck, dass er im Fall Mellery im Dunkeln tappte und dabei Dinge übersah, die direkt vor seiner Nase lagen.
    Als er an diesem Tag von Peony nach Hause kam, beschloss er in völlig ungewohnter Art, sich mit seiner Verwirrung an Madeleine zu wenden, die mit den Resten von Tee und Cranberrykuchen am Küchentisch saß.
    »Ich würde dich gern nach deiner Meinung zu etwas fragen.«
    Sie neigte neugierig den Kopf, was er als Einladung verstand.
    »Das Mellery-Institut liegt auf einem vierzig Hektar großen Grundstück zwischen der Filchers Brook Road und der Thornbush Lane in den Hügeln über dem Dorf. Ungefähr fünfunddreißig Hektar davon sind Wälder, der Rest Rasen, Blumenbeete, ein Parkplatz und drei Gebäude: das Vortragszentrum, in dem auch die Büros und Gästezimmer sind, das Privathaus der Mellerys und eine Scheune für die Wartungsgeräte.«
    Madeleine hob den Blick zur Uhr an der Küchenwand, und er fuhr eilig fort. »Die Einsatzbeamten fanden Fußspuren
von der Filchers Brook Road zu einem Stuhl hinter der Scheune. Von dem Stuhl liefen sie bis zu dem Platz, an dem Mellery getötet wurde, und führten dann achthundert Meter weiter zu einer Stelle im Wald, wo sie abrupt stoppten. Keine Fußabdrücke mehr. Kein Hinweis darauf, wie sich die Person entfernt haben könnte, ohne weitere Spuren zu hinterlassen.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Ich beschreibe, was am Tatort vorgefunden wurde.«
    »Was ist mit der anderen Straße, die du erwähnt hast?«
    »Die Thornbusch Lane ist über dreißig Meter vom letzten Fußabdruck entfernt.«
    »Der Bär ist zurückgekommen«, bemerkte Madeleine nach kurzem Schweigen.
    »Was?« Gurney starrte sie verständnislos an.
    »Der Bär.« Sie wies mit dem Kopf zum Seitenfenster.
    Der Futterspender für die Finken draußen vor den raureifüberzogenen Beeten war auseinandergebrochen und die Stahlstütze zum Boden hinuntergebogen.
    »Ich kümmere mich später darum.« Gurney war gereizt über den unerheblichen Einwurf. »Kannst du was mit dem Fußspurenproblem anfangen?«
    Madeleine gähnte. »Ich finde es albern. Die Person, die dahintersteckt, muss verrückt sein.«
    »Aber wie hat er es gemacht?«
    »Das ist wie bei dem Trick mit den Zahlen.«
    »Was meinst du?«
    »Spielt doch keine Rolle, wie er es gemacht hat.«
    »Kannst du mir das genauer erklären?« Gurneys Neugier überwog seine Irritation.
    » Wie spielt keine Rolle. Die Frage ist warum , und die Antwort liegt auf der Hand.«
    »Und diese Antwort heißt…?«

    »Er will beweisen, dass ihr ein Haufen Idioten seid.«
    Gurney empfand ihre Feststellung als zweischneidig. Zwar teilte sie offenbar seine Meinung, dass die Polizei in diesem Fall direkt mitbetroffen war. Weniger behagte ihm allerdings, wie sehr sie das Wort Idioten betonte.
    »Kann sein, dass er rückwärts gelaufen ist.« Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht haben die Spuren an dem Punkt begonnen, wo sie eurer Meinung nach geendet haben, und sind dahin verlaufen, wo ihr den Anfang vermutet.«
    Diese Möglichkeit hatte Gurney bereits erwogen und

Weitere Kostenlose Bücher