Die Hebamme
dass sie die Sache auf sich beruhen lassen sollten. Therese fieberte ihrem zukünftigen Ehemann mit ungeminderter Sehnsucht entgegen, erzählte man in gut unterrichteten Kreisen, ja fast schien es, als sei diese durch den rätselhaften Vorfall noch weiter angefacht worden. Man sagte, das kam von den englischen Romanen, die Therese in jeder freien Stunde las.
Vom jungen Fessler war als Letztes berichtet worden, dass er in diesen Tagen die Prüfung vor dem Collegium medicum bestanden und bald darauf eine Postkutsche nach Frankfurt bestiegen hatte, angeblich, um Gewürze für die Apotheke einzukaufen.
Elgin wünschte, er könnte dort bleiben, am liebsten für immer, oder wenigstens bis zu seiner Hochzeit, von der sie sich viel versprach. Er musste nur abgelenkt werden, sagte sie sich.
Sie nahm einen Schluck Bordeaux, von dem ihr ein Marburger Kaufmann nach der Entbindung seiner Zwillingssöhne drei Kisten hatte schicken lassen. Für jedes der Kinder eine, für das Leben der tapferen Mutter eine dritte. Das war vor weniger als einem Jahr gewesen und die Frau erneut schwanger. Sie erwartete mit Demut ihr siebtes Kind.
Elgin zog die Öllampe näher an ihr Manuskript.
Der monatliche Blutfluss bleibt während der Schwangerschaft aus und ebenso in der Zeit des Säugens. Verliert eine Frau bei fortgeschrittener Schwangerschaft große Mengen dunklen Blutes, so bezeichnet dies eine Krankheit. Und doch können auch jene Schwangerschaften beobachtet werden, in denen der Körper seiner Gewohnheit des Monatlichen wohl weiter folgen will: Dann jedoch erscheint das Blut eher zaghaft in eben jenen Epochen, die der früheren Reinigung entsprechen. Verhält es sich so, muss es für die Gesundheit der Frucht keine schlimmen Bedenken geben.
Sie las noch einmal, was sie geschrieben hatte. Vor zwei Tagen hatte sie Kilian ihren Besuch im Accouchierhaus zugesagt. Nachdem sie bislang in ihren Niederschriften zügig vorangekommen war, brütete sie nun mitunter lange über einzelnen Sätzen, so wie eben jetzt über dem letzten. Während Elgin ein weiteres Mal von dem Wein trank und beschloss, die Formulierung stehen zu lassen, öffnete unten eine verschlafene Marthe die Tür.
Es leuchtete der alten Magd ein, dass die neue Tasche für die Gottschalkin selbst zu dieser späten Stunde abgeliefert werden musste, war doch die andere unter mysteriösen Umständen abhanden gekommen. Und schließlich war Marthe zu müde, um dem jungen Fessler einen Wunsch abzuschlagen. Er habe keine Zeit verschwendet und sei auf direktem Weg von der Postkutschenstation zur Hofstatt geeilt.
Und selbst wenn er nun seit Längerem nicht mehr ins Haus kam – ohne dass ihm jemand die Tür öffnete und er es verließ, bevor die Hähne den Schnabel aufrissen -, es war ihr durchaus nicht verborgen geblieben. Was wusste die Gottschalkin schon vom kurzen Schlaf einer alten Frau, die zudem über ein gutes Gehör verfügte? Sie würde schweigen wie ein Grab, darauf konnte ihre Herrin sich verlassen. Aber es gab Momente wie diesen, in denen Marthe meinte, besser zu wissen, was gut für sie war.
Wenn dem jungen Herrn so viel daran lag, die Tasche persönlich abzuliefern, was sollte schließlich dagegen einzuwenden sein? Die alte Magd warf einen Blick auf die dunkle Gasse, bevor sie die Tür schloss und in ihrer Kammer neben der Küche verschwand. Am nächsten Tag würde ihr das Verbot erteilt werden, den jungen Fessler jemals wieder ins Haus zu lassen. Doch jetzt gab es nichts, was ihr ein schlechtes Gewissen machte.
»Marthe schläft den Schlaf der Gerechten«, sagte Lambert. »Ich glaube, sie schlief auch, während sie mir die Tür aufmachte.«
Schlimm genug, dachte Elgin. Sie hatte sich hastig vom Tisch erhoben, als er ins Zimmer trat, nach einem Klopfen, hinter dem sie ihre Magd vermutete.
»Ich will das nicht«, sagte sie.
Er kam unbekümmert näher und stellte die Tasche auf dem Tisch ab. Es war ein außergewöhnliches Stück aus dickem Leder mit einem neuartigen Messingverschluss. »Aus Frankfurt«, sagte er. »Ich musste doch mein Versprechen einlösen. Als Marthe in der Apotheke war, hab ich sie gefragt, ob du deine Tasche wieder zurückbekommen hast …«
»Es gefällt mir nicht, dass du meine Magd ausfragst. Es gefällt mir noch viel weniger, dass du sie umschmeichelst, bis sie dich in mein Haus lässt, ohne mich zu unterrichten.«
Lambert lachte.
»Ich wollte dich überraschen, dir eine Freude machen. Das ist schon alles. Und im Übrigen – möchtest
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