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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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war, für die er tagelang das Haus hatte schrubben lassen? Die Böden, die Fenster, das Auditorium, jede Kammer, bis hinab in den Sezierkeller, wo sie Instrumente und Glasbehälter zu reinigen hatten und gefaltete Tücher auslegten. Die Gallonen mit Terpentinöl ließ man sie vom Staub befreien und so aufstellen, dass das Tageslicht aus der engen Fensteröffnung von oben auf sie traf. Im Auditorium hatte Kilian persönlich bewacht, wie sie die Schränke von außen wie innen mit weichen Lappen und Spiritus reinigten. Und jedes Stück der Sammlung hatte er selbst in die Hand nehmen wollen, um es hinaus- und hineinzuräumen. Selbst das Polster des Gebärstuhls hatte er sie waschen lassen, obwohl er nie zur Anwendung kam, außer bei der ledernen Mutter.
    Sollte all das mit dem Besuch der Hebamme zu tun haben?, fragte sich Gesa. Und wenn, was hatte es dann zu bedeuten?
     
    Indessen stellte Clemens fest, dass Kilian auf die üblichen Ausführungen über die Segnungen der Zange verzichtete. Der Professor wusste immer sehr anschaulich zu schildern, wie die Zangen das barbarische Traktieren mit anderen Werkzeugen ersetzen konnten. Er ließ dann die Studenten an die Instrumentenschränke treten, demonstrierte Modelle englischer und französischer Kollegen und was er, Kilian, diesen Erfindungen hinzugefügt hatte, um sie zu vervollkommnen. Und wenn er dafür in Stimmung war, oder jemand eine entsprechende Frage stellte, kehrte Kilian in seinem Vortrag zu den düsteren Anfängen seines Berufslebens zurück. Er pflegte dann vom Enthirnen und Zerstückeln ungeborener Kinder zu berichten, von seinem bis heute andauernden Entsetzen darüber, an dem er seine Studenten teilhaben ließ. Er fügte stets mahnend hinzu, dass nur in den seltensten und schlimmsten Fällen Derartiges zu verrichten war, und wies im Schrank auf die nötigen Instrumente. Nie vergaß Kilian dann, es dem schändlichen Versagen einer alten Hebamme anzulasten, dass er sich ein einziges Mal vor vielen Jahren dazu veranlasst sah, schneidende Werkzeuge anzuwenden, um ein totes Kind aus der armen Mutter herauszulösen.
    Nichts von alledem kam im heutigen Vortrag des Professors zur Sprache.
    Stattdessen redete er recht allgemein von medizinischen Grundsätzen, verwies mehrfach auf seine Schriften und empfahl sie den Studenten zur Lektüre. Mit einem kleinen Exkurs über die körperliche Eignung von Geburtshelfern – genauer: über richtig bemessene Hände und Arme – gelang ihm ein geschicktes Manöver zum Thema des Tastens und Fühlens, dem er viel Zeit widmete. Der Professor erklärte dies mit der bevorstehenden Prüfung seiner Hebammenschülerinnen.
    Wovon auch immer Kilian die Hebamme zu überzeugen gedachte, es musste ihr auffallen, auch wenn sie ihn nicht näher kannte. Clemens Heuser hielt sie für einen ernsthaften Menschen, es war das Erste, was sie vermittelte, noch bevor sie etwas sagte. Sie saß neben ihm ohne erkennbare Regung. Weder gab es Ungeduld zu entdecken, die sich in versteckten Gesten hätte äußern können, noch Langeweile. Allerdings hatte er ihren Blick zu den Schülerinnen wandern sehen und bemerkte die Andeutung eines Nickens. Er sah Gesa lächeln und musste schnell fortschauen, weil es ihn berührte.
    Was auch immer Kilian darzustellen gedachte, es kam ihm ausgerechnet die Natur zu Hilfe, als letztes Steinchen im Mosaik. So musste es Kilian erscheinen, als die Textor eine der Türen aufriss. Bei einer Schwangeren hätten die Wehen eingesetzt. Als Haushebamme vermittelte sie wahrhaftig keinen guten Eindruck, vielleicht fiel das dem Professor heute auf.
    Man konnte durchaus von Ereignissen sprechen, die sich überstürzten, oder besser vielleicht von einer nervösen Unruhe, die sich schlagartig ausbreitete. Es verging eine Zeit, in der die Schwangere geholt wurde und alle durcheinander rannten.
    Nur die Hebamme saß immer noch auf ihrem Stuhl, an der Seite des Auditoriums. Die anderen hatten sich vor dem Untersuchungstisch, zu den Füßen der Schwangeren versammelt: Ärzte, Studenten, Schülerinnen, auch die Textor.
    »Kommen Sie«, sagte Professor Kilian zu Elgin Gottschalk. »Geben Sie uns die Ehre eines ersten Tastbefunds. Wir möchten Ihre Meinung zu dem Fall hören.«
    Sie erhob sich langsam. Sie hatte es nicht sehr weit zur Tür.
    »Ich danke Ihnen«, sagte sie. »Jetzt möchte ich gehen.«
     
    Draußen konnte Elgin das Schweigen hören, und wie Professor Kilian es beendete. Seine dozierende Stimme wurde für einen kurzen Moment

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