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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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berufen, hatte er sich eindringlich für Neuerungen in der Hebammenausbildung eingesetzt. Man erwartete seine Vorschläge zur nächsten Sitzung.
    »Andere Frauen, die von mir zu lernen begehren, soll ich nicht abweisen, sondern mit meinem Vorwissen, Treue und Fleiß anführen …«
    Auch was den Eid anging, dachte Kilian, gab es noch einiges einer neuen Zeit anzupassen.

Neun
    HERBSTMOND
    Es hatte Stunden gegeben, in denen sie nichts wussten, als dass die Angst der einen so groß wie die der anderen war. Das waren Stunden, in denen Elgin nicht von der Seite Bettinas wich und Marthe betete. Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird sein.
    Das Mädchen lag in Marthes Bett, die Tür von der Kammer zur Küche hatte sich in den vergangenen Tagen und Nächten nicht mehr geschlossen. Sie hatten kaum geruht seitdem, außer es ergab sich ein kurzer Schlummer im Sitzen.
    Sie war von dem Stöhnen des Mädchens wach geworden, für die sie zunächst ein zusätzliches Lager in ihrer Kammer gerichtet hatte. Als Marthe in jener ersten Nacht ihr Bett verließ, stießen ihre nackten Füße an den Becher, der daraufhin mit einem scheppernden Laut über den Boden gerollt war. Auf dem Strohsack an der Wand hatte sie die Umrisse von Bettinas Körper sehen können und darunter, auf dem hellen Leintuch, sah sie eine dunkle Lache immer größer werden.
    Marthe hatte den Becher aufgehoben, daran gerochen, war vor dem stechenden Geruch zurückgezuckt, der dem Gefäß anhaftete. Obwohl es leer war. Bettina antwortete nicht. Sie erbrach Blut.
    Als das Mädchen noch einmal aufgestanden war, hatte Marthe es nicht bemerkt, weder das Rascheln des Strohlagers, noch wie Bettina barfüßig die enge Kammer verließ. Sie hörte keine Bewegungen in der Küche, und keine Ahnung weckte sie, als das Mädchen nach dem Becher mit dem Rest des Sadebaumsuds griff.
    Damit niemand ihn im Vorbeigehen herunterreißen oder umstoßen konnte, hatte Elgin den Sud oben auf dem Tellerbord abgestellt. Ihr kleiner Vorrat an den getrockneten Spitzen war nun aufgebraucht, denn jene bescheidene Menge, die sie zuletzt in der Fesslerschen Apotheke erstanden hatte, war mit dem Verlust ihrer alten Tasche abhanden gekommen.
    Nur in sehr kleinen Schlucken hatte sie Bettina davon trinken lassen, ohne den Becher aus der Hand zu geben. Das Mädchen musste würgen, obwohl dem grüngelben Sud Honig beigemischt war. Elgin war mit der Menge zurückhaltend gewesen, sie wollte die Wirkung einer kleinen Dosis abwarten und dann weitersehen.
    Aber Bettina wollte nicht warten.
    Beide hatten sich selbst unzählige Male in Gedanken der Nachlässigkeit bezichtigt. Elgin sagte, dass Marthe keine Schuld trug, doch ihr war so eine Befürchtung anzusehen, die schnürte der Magd das alte Herz zusammen. Stumm hatte sie seitdem alles ausgeführt, was Elgin ihr auftrug.
    Sie stampfte Breitwegerich und kochte daraus einen sämigen Sud, mit dem sie Leinenlappen tränkten, um das Blut im Innern Bettinas zu stillen. Sie zerstieß Mutterkrautblätter und bereitete einen Saft daraus, den sie der jungen Frau einflößten. Sie lief zur Apotheke, um Kampferpulver und Goldrute zu besorgen. Sie rührte mehrmals am Tag und in der Nacht frisches Senfmehl mit erhitztem Wasser zu einer Paste an, damit sie Umschläge gegen die Krämpfe anlegen konnten. Sie taten alles, um Bettina die Schmerzen zu nehmen, damit sie Kraft hatte, am Leben zu bleiben. Sie kämpfte, das half ihnen, bis das Fieber den Kampf in Bettinas Körpers übernahm.
    Marthe wusch das Blut aus den Betttüchern und verbrannte das Stroh von Bettinas Schlafstätte im Herd. Sie räucherte Küche und Kammer mit Salbei, um den Tod zu vertreiben und die Luft von Krankheit zu reinigen.
    Jetzt schlief Bettina, und Marthe war unendlich müde. Sie saß neben der Tür wie eine Wärterin, ihr Kopf lehnte an der Wand, und sie hörte, wie das arme Ding im Schlaf flüsterte. Sie musste nicht verstehen, was sie sagte, um zu wissen, wovon sie sprach. Es waren immer dieselben Worte, die mit dem Fieber kamen. Doch das Schlimmste war vorbei. Die Herrin saß in dieser Nacht zum ersten Mal wieder oben und schrieb.

    Wovon Bettina flüsterte und auch geschrien hatte, was sie ängstigte und sie in ihrem Blut nicht entdecken wollte, was ihr die Fieberhitze in die fensterlose Kammer führte, war ein Mondkalb, eine winzig kleine Missgeburt. Sie machte sich schreckliche Bilder davon. Es konnte nichts

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