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Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Domeier
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sich Agnes’ Gesichtsausdruck verändert hatte.
    Die Nonne nahm ihre ganze Selbstbeherrschung zusammen, atmete tief durch und antwortete: »Beweise es mir. Dann werde ich nie wieder vor einem Kruzifix beten.«
    Und schon hatte sich Agnes umgedreht und rauschte im Laufschritt zur Pforte. Sie wagte es nicht, sich umzuschauen, damit er nicht ihre Tränen sehen konnte. Sie hatte, so gut sie konnte, gekämpft, aber der Angriff auf ihren Glauben und ihre Überzeugung war zu schwer gewesen. Dem hatte sie nichts mehr entgegensetzen können.
    Ludolf versuchte ihr zu folgen, aber sie war schon verschwunden. Viel zu spät hatte er bemerkt, dass er ihr wieder wehgetan hatte. Er ärgerte sich über seinen Eigensinn, immer alles besser wissen zu wollen. Einen halben Tag waren sie zusammen gewesen, und schon hatten sie sich wieder in die Wolle gekriegt. Hoffentlich sagte Agnes jetzt nicht die gemeinsame Suche ab. Bei dem Gedanken wurde Ludolf ganz übel. Wütend schlug er gegen die Klostermauer, bis ihm seine Hand schmerzte.

Ein Geheimnis
    Agnes eilte zuerst in die Klosterkirche, um zu beten. Sie musste schnellstens wieder zur Ruhe kommen. Also kniete sie vor dem Altar nieder. Nach einer Weile schaute sie wieder auf und erblickte das große Kreuz. War es wirklich so schlimm, sich Bildnisse zu machen? Die Bibel war voll von Begebenheiten, wo Götzenbilder und Statuen verurteilt wurden. Den Tanz der Israeliten um das goldene Kalb kannte schließlich jeder. Aber warum war die Einstellung zu den Heiligendarstellungen heute, über eintausend Jahre nach Christus, anders? Was war geschehen? Sollten sich so viele Kirchenlehrer geirrt haben? Agnes grübelte noch lange über diese Frage nach, aber sie kam zu keinem befriedigenden Ergebnis. Sie würde mit einem Priester darüber reden, wenn die Mission hier zu Ende wäre.
    Jetzt war erst einmal Maria an der Reihe. Hoffentlich ging es ihr schon besser, sodass sie etwas mehr über den Überfall sagen konnte. Agnes machte sich auf den Weg, um die junge Frau zu besuchen. Doch im Kreuzgang begegneten ihr zwei ältere Schwestern. Sie liefen, anstatt sich gemessenen Schrittes zu bewegen. Normalerweise gab es für solch ein ungebührliches Verhalten eine Rüge von der Äbtissin oder Schläge durch die Priorin.
    Agnes’ Neugier war geweckt. Was war der Grund für diese übergroße Eile? Vorsichtig um sich schauend folgte sie den beiden Nonnen. Sie verschwanden durch eine Tür in einen Trakt des Klosters, der sonst immer sorgfältig versperrt gewesen war. Drei bestimmte Schwestern brachten kurz vor den Mahlzeiten jeweils Speisen hier hinein. Doch es war Agnes verboten worden, zu fragen, wer sich hier aufhielt. Aber diese günstige Gelegenheit ließ sie sich nicht entgehen und schlüpfte durch die Tür.
    Von fern hört man das gequälte Schreien einer Frau. Agnes stieg die Treppe hinauf und folgte einem niedrigen Gang. Das Stöhnen und die Schmerzensschreie wurden lauter. Aufgeregt hastete Agnes weiter, bis sie zu der Zelle gelangte, aus der die Laute kamen. Eine junge Novizin lag auf einem kleinen Bett und hielt sich ihren Unterleib. Drei Nonnen kümmerten sich fürsorglich um sie.
    Erst nachdem Agnes den Schreck verdaut hatte, gewahrte sie, dass die Novizin schwanger war. Ein kugelrunder Bauch wölbte sich unter der Kutte. Eine der älteren Nonnen fasste unter die Kleidung der schreienden Frau. Plötzlich war alles klar. Die Novizin hatte Wehen! Sie stand kurz vor der Geburt!
    Jetzt endlich erkannte Agnes die Novizin. Das junge Mädchen schaute mit schmerzverzerrtem Gesicht hoch. Es war Adelheid, die Schwester des Jungen Simon. Agnes hatte die Sechzehnjährige noch kennengelernt, als sie nach St. Jakobi gekommen war. Adelheid war sehr zurückhaltend und still gewesen, und mit ihrer zierlichen Figur sah sie wie ein schüchternes, kleines Mädchen aus, das sich verlaufen hatte. Aber irgendwann war sie plötzlich verschwunden gewesen. Sie wäre in ein anderes Kloster zur Schulung gekommen, hatte es geheißen. Das hatte auch Simon heute Vormittag bestätigt.
    Agnes schaute sich nun auch die vierte Nonne an – sehr jung, mit einem blassen Gesicht und schmalen Händen. Es war Ursula. Agnes hatte sie kurz nach ihrem Wechsel hier nach Rinteln noch im Unterricht gehabt. Dann war die junge Nonne fort gewesen. Sie trug zwar eine weite Kutte, aber auch bei ihr war der Bauch schon sichtbar.
    Agnes erinnerte sich noch ganz genau. Sie hatte nachgefragt, wo denn Schwester Ursula geblieben war. Keine der anderen

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