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Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Domeier
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Schicksal. Dagegen können wir nichts tun. Gott will das. Wir müssen ihm gehorchen.«
    Agnes hatte schon den Mund geöffnet, um den absurden Gedanken richtig zu stellen. Aber plötzlich war sie sich keineswegs mehr sicher, dass sich Maria geirrt hatte. Für Agnes war es logisch, dass ein Gott der Liebe kein Interesse daran hat, unschuldige und wehrlose Menschen unnötig zu quälen. Würde ein liebevoller Vater seine Kinder nicht beschützen wollen, wenn ihnen Böses widerfährt? Aber genau das Gegenteil wurde von den Kanzeln gelehrt, genau das war in den Werken der Kirchenlehrer zu lesen. Als würden die Brutalität und Herzlosigkeit der Menschen vom Schöpfer verursacht. Was sollte sie nun sagen? Das, was Agnes selbst als richtig empfand? Oder das, was die Kirche propagierte? Ärgerlich schüttelte sie den Kopf. Sie dachte schon genauso kritisch wie Ludolf.
    Die Möllenbeckerin nahm sich ein Herz und fragte: »Was seht ihr in euren Visionen?« Hoffentlich war die Frage nicht zu aufdringlich.
    Doch schon einen kurzen Augenblick später kam die Antwort: »Ich sehe brennende Häuser, Städte. Die ganze Welt brennt. Überall sind Männer mit Schwertern und Messern, die alles töten. Alle haben die gleichen Gesichter. Starre Gesichter ohne Lächeln, ohne Schmerz, ohne Mitleid. Und ihre Herzen sind aus kaltem Stein.«
    »Habt ihr solch ein Unglück selbst erlebt?«
    Maria schwieg. Sie stand einfach nur am Fenster und schaute mit leerem Blick hinaus.
    Agnes nickte zufrieden, sie war auf dem richtigen Weg. Sie ließ einen kurzen Moment verstreichen, bevor sie erneut eine Frage stellte: »Schaut ihr wieder nach den Katzen und den Spatzen?«
    »Heute keine Katze im Garten.«
    »Wer sind die Katzen?«
    »Männer!« Wieder war dieses Wort voller Abscheu und Ekel hervorgepresst worden.
    »Warum sind die Männer wie Katzen?«
    Marias Stimme wurde leiser. »Sie töten nicht sofort. Katzen beißen und quälen. Immer wieder, immer wieder, ohne Ende.«
    Fast genau die Worte, die Maria schon einmal benutzt hatte. Es war also keine momentane Verwirrung gewesen, die durch Kuniberts Tod hervorgerufen worden war. Maria machte heute einen klareren Eindruck. Dieses Bild von den Spatzen und Katzen musste einen tieferen Grund haben, einen, der weiter in die Vergangenheit zurückreichte.
    »Haben euch Männer gequält?«
    Die junge Witwe nickte. Tränen begannen ihr über die Wangen zu rinnen.
    »Hat Kunibert euch auch gequält?«
    Maria schüttelte den Kopf. »Heirat war falsch. War nicht Gottes Wille. Deswegen ist er jetzt tot.«
    Agnes runzelte missmutig die Stirn. Genau diese Ansicht bereitete ihr Magenschmerzen, obwohl viele Leute so dachten. Aber die Schlechtigkeit der Menschen konnte niemals Gottes Wille sein. Was den Leuten an Bösem passiert, ist doch in den meisten Fällen eindeutig von ihnen selbst verursacht worden. Man sollte eher fragen: Warum lässt der Schöpfer das zu? Aber das hatte ihr bisher niemand plausibel erklären können.
    Sie schob diese störende Grübelei wieder zur Seite und fragte: »Ihr sagtet, dass Ulrich ein Habicht sei. Warum?«
    Maria schwieg. Sie weinte still vor sich hin und starrte unbeirrt hinaus.
    »Hat er euch nicht gequält?«
    »Er hat die Katzen verjagt.«
    »Was ist damals in eurer Heimat passiert?«
    Sie drehte sich endlich um und blickte flehentlich. Ihre Lippen bebten, als ob viel zu lang zurückgehaltene Worte verzweifelt versuchten sich zu befreien.
    Aber Agnes wollte endlich wissen, was der jungen Frau zugestoßen war. »Was haben Männer euch angetan?«
    Plötzlich warf sich Maria laut weinend auf das Bett. Sie vergrub ihr Gesicht in der Decke. Mit den Fäusten schlug sie immer wieder auf den Strohsack, der als Unterlage diente. Agnes setzte sich dazu und legte ihr vorsichtig die Hand auf den Rücken. Zärtlich strich sie Maria über den Rücken. Zum Glück wurde die helfende Hand nicht einfach fortgestoßen. Langsam wurde die junge Witwe wieder ruhiger. Das Trommeln der Fäuste hörte zwar auf, das Schluchzen jedoch blieb.
    Nach einer schier endlosen Zeit setzte sie sich wieder auf. Die beiden Frauen saßen still zusammen und blickten sich an. Auch Agnes konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Dann begann Maria zu erzählen, was vor sieben Jahren in Italien geschehen war.

Ulrich ist wieder da
    Ludolf hatte schon längere Zeit am Rathaus auf Agnes gewartet. Ungeduldig war er hin und her gelaufen und hatte sich immer wieder nervös umgeschaut. Er konnte es kaum erwarten, sie

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