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Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Domeier
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beängstigende Träume geweckt worden. Gestern hatte sie sich endlich zu dem schwerwiegenden Schritt durchgerungen, ihr Leben als Nonne zu beenden und in Zukunft als Ehefrau ihre Erfüllung zu finden.
    Nachdem Agnes gestern an Marias Lager abgelöst worden war, war sie sofort zu ihrem Onkel geeilt, um ihm ihren Entschluss mitzuteilen. Der hatte natürlich gleich einen Boten an ihre Eltern geschickt. Zusammen waren sie dann zu Ludolfs Vater gegangen. Der war sehr erfreut gewesen und hatte sie übermütig in den Arm genommen. Mit solch einem Ausdruck der Freude hatte sie nie und nimmer gerechnet. Und außerdem sollte sie ihn von nun an Vater nennen.
    Agnes hatte es sich erbeten, Ludolf die Nachricht selbst mitzuteilen. Johannes hatte sofort ihr geheimnisvolles Lächeln gesehen.
    »Was hast du vor?«
    »Och ... Ludolf hat mich so oft geärgert. Ich möchte ihm das nun ein bisschen vergelten.«
    Lachend hatte er seine Zustimmung gegeben. »Das kann er gebrauchen. Falls es aber Streit gibt, müsst ihr zwei das selber lösen.«
    »Natürlich.«
    Zum Abschied hatte sie Johannes vom Domhof noch einmal in den Arm nehmen dürfen.
    Ludolf. Sie lächelte beim Gedanken an ihn. Eigentlich hatte der freche und hinterlistige Kerl sie gar nicht verdient. Andauernd diskutierte er über provozierende Themen wie Kirchenlehrer, Wunder und ähnliches. Dabei sollte er längst erkannt haben, wie sehr es sie schmerzte, wenn er ihre religiösen Gefühle verletzte. Mit Leichtigkeit schaffte er es, sie durch zynische oder bissige Bemerkungen zum Schweigen und oft genug auch zum Weinen zu bringen. Dafür hatte sie ihn gestern mit Vergnügen aufs Glatteis geführt. Seine Reaktion – die Enttäuschung, die Eifersucht – hatte sie natürlich erwartet.
    Als Kinder hatten sie sich ständig gestritten. Die ältere Nonne, die die beiden im Stift Möllenbeck unterrichtet hatte, war so manches Mal kurz vor einem Zusammenbruch gewesen. Laut schreiend hatte sie die Streithähne trennen müssen. Schläge hatte es von der Nonne nie gegeben – dafür aber zu Hause. Beim Gedanken daran tat ihr jetzt noch ihr Hinterteil weh. Ludolf wollte schon immer alles besser wissen – manchmal hatte er auch recht mit seiner Ansicht, aber dann auch wieder Agnes. Jeder der beiden hatte seine Stärken. Aber das zu akzeptieren, war ihnen nicht leichtgefallen.
    Und noch etwas war ihr inzwischen bewusst geworden. Wenn sie sonst unter Belastung litt, hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als ihre Seele durch eine Beichte zu erleichtern. Mit einem barmherzigen Priester über ihre Probleme und Sorgen zu sprechen, hatte ihr sehr viel Kraft gegeben. Aber in den letzten Tagen war ihr dieser Wunsch nie in den Sinn gekommen. Sie hatte kein einziges Mal daran gedacht. Lag es am Pater Bassenberg, der ohnehin nur seine Pläne, Rinteln zu einem Wallfahrtsort zu machen, im Sinn hatte? Oder hatte sie das Kloster hier so verändert?
    Nach dem Frühstück machte sich Agnes beschwingt auf den Weg zum Kloster. Bevor sie sich mit Ludolf am Rathaus traf, wollte sie noch einmal zu Maria. Wie es der jungen Witwe heute Morgen wohl ging? Hatte sie den Anfall von gestern verkraftet? Oder war es wieder so schlimm wie am Tag nach dem Mord an ihrem Mann?
    Die Pförtnerin wollte Agnes erst nicht hineinlassen, da die junge Frau ihre Nonnentracht heute nicht angelegt hatte. Eine der Mägde im Haus des Onkels hatte ihr ein schlichtes Kleid, das leider etwas eng saß, eine Leinenbluse und eine weiße Haube geliehen. Doch schließlich wurde Agnes erkannt.
    Damit sie weder der Äbtissin noch der Priorin über den Weg lief, eilte sie nicht durch den Kreuzgang, sondern durch verschiedene Nebenräume. Zum Glück begegnete sie niemandem. Ganz außer Atem stand sie vor Marias Kammer und musste ein paarmal tief durchatmen. Endlich klopfte sie.
    Sofort erklang von innen ein leises »Herein«.
    Wie Donnerstagnachmittag stand Maria am Fenster und schaute hinaus. Ihre langen schwarzen Haare waren heute zu einem dicken Pferdeschwanz gebunden. Mit einem angedeuteten Lächeln begrüßte sie den Besuch. Die großen Augen hatten ihre Ängstlichkeit verloren und irrten nicht mehr nervös durch den Raum.
    »Wie ich sehe, geht es euch heute besser.«
    Maria nickte.
    Agnes kam langsam näher. »Ihr hattet gestern eine Vision. Ich kannte das nicht und war sehr erschrocken. Aber für euch war es sicher am schlimmsten.«
    Die junge Frau schaute verlegen aus dem Fenster und nagte an der Unterlippe. »Ist so. Das ist

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