Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
erzählte von den Nachforschungen der letzten Tage. Was sie im Ort bei der Burg erfahren hatten, von der Suche auf der Weser, vom Heilig-Geist-Hospital. Die Sache mit dem Tuchhändler sparte sie lieber aus, der Verdacht hatte ja auch nur in die Irre geführt. Oder war der Bischof schon durch den Hauptmann darüber unterrichtet worden?
Otto schritt nachdenklich durch das Zimmer. »Nichts von dem, was Ihr hier mir gerade gesagt habt, scheint der Amtmann bei der Burg zu wissen. Ist das so?«
Agnes nickte. »Wir haben den Auftrag von Euch bekommen. Also berichten wir Euch.«
»Ihr seid also überzeugt, dass der Schmied nicht der Mörder ist.«
Agnes schaute zu Ludolf hinüber. Das war ja genau der Punkt, an dem sie unterschiedlicher Meinung waren. Aber er machte keine Anstalten, das Gespräch zu übernehmen. Fast hatte sie damit gerechnet, dass er sie zur Seite schieben und nur seine Sicht der Dinge schildern würde. Ludolf bedeutete ihr jedoch mit einer kleinen Geste weiterzusprechen. Er vertraute darauf, dass sie ehrlich und offen beide Standpunkte erörterte. Also legte Agnes dem Bischof dar, dass sie sich nicht sicher waren, wer der Mörder war. Es gab Gründe, die gegen den Schmied Dietrich Wiegand sprachen, schwerwiegende Gründe. Aber es fehlte eben ein stichhaltiger Beweis. Und die vermeintliche Augenzeugin war tot.
»Die Magd ist tot?«, polterte der Bischof wieder los.
»Vor Gram über ihre falsche Anklage hat sie sich zu Tode gestürzt.«
»Also gibt es jetzt noch nicht einmal mehr einen Zeugen. Wie soll’s jetzt weitergehen? Gibt es noch andere Verdächtige?«
»Es gibt noch einen zweiten«, meldete sich Ludolf nun. »Den Amtmann selbst.«
Otto III. fuhr herum. »Was? Das ist nicht Euer Ernst?«
»Oh, doch. Er lässt einfach einen anderen für seine Tat hinrichten. Der Mord ist gesühnt, alle sind zufrieden, er bleibt unentdeckt.«
»Das lass ich nicht zu! Was habt ihr gegen ihn in der Hand?«
Ludolf zog die Luft hörbar ein. »Es ist genauso wie beim Schmied. Es gibt den Verdacht, aber weder Beweis noch Gegenbeweis.« Er nannte dem Bischof die Punkte, die gegen den Amtmann sprachen. Da waren zum einen die Steuerlisten, derentwegen er Kuneke unter Druck gesetzt und sogar bedroht hatte. Außerdem hatte er, als Kuneke verschwand, die Suche nach ihr massiv behindert. Aber als es mit dem Schmied dann einen Verdächtigen gab, setzte er alles daran, den Mörder zu verhaften. Das passte zusammen. »Wir hoffen, dass die Listen uns weiterhelfen können. Sie scheinen korrekt zu sein, alle Zahlen stimmen und sind mit Siegel und Unterschrift abgenommen. Nur wissen wir leider nicht, warum sie für den Amtmann so wichtig sind. Könnt Ihr uns vielleicht dazu etwas sagen?«
»Leider nicht. Damit habe ich überhaupt nichts zu tun«, musste Otto vom Berge zugeben. »Ich bin zwar der Bischof, aber für die Verwaltung der Güter und der Abgaben ist der Kustos des Domkapitels zuständig. Jener Caspar von Ilse, den Ihr ansprechen dürft und solltet, wenn ich nicht erreichbar bin. Er ist ein absolut treuer und ehrbarer Mitarbeiter im Herrn. Er ist sehr genau mit seinen Unterlagen. Er kann Euch bestimmt helfen.«
»Das werden wir sehr gerne tun.«
»Aber was soll ich Eurer Meinung nach tun, wenn Ihr nichts findet?«
Agnes und Ludolf schauten sich verzweifelt an. Die junge Frau fasste sich ein Herz und schlug vor: »Wenn der ehrwürdige Kustos uns nicht helfen kann, müssen wir von vorn anfangen. Die verschwundene Frau ist gefunden worden. Damit ist ein Teil des Auftrags erledigt. Wenn Ihr wünscht, werden wir natürlich weitersuchen. Oder aber Ihr kommt zu der Überzeugung, dass inzwischen zu viel Zeit verstrichen ist, um den Mörder zu finden. Es ist einfach so, dass wir zu wenig in der Hand haben, um gegen den Schmied oder den Amtmann vorzugehen.«
Nachdenklich musterte der Geistliche die beiden. Nach einer längeren Pause antwortete er schließlich: »Ich bringe Euch nun zum Kustos. Dort stellt Eure Fragen zu den Listen. Danach werden wir uns wieder sprechen. Ich werde Euch dann sagen, wie ich entscheide.«
Agnes trat auf den Bischof zu und machte einen tiefen Knicks. Sie hatte ihre Hände züchtig gefaltet und schaute demütig zur Erde: »Ich habe eine Bitte, Euer Hochwürden.«
»Und welche?«
»Ich habe jetzt schon mehrere Tage nicht zur Beichte gehen können. Durch die Mission war es leider nicht möglich. Aber jetzt brauche ich dringend Euren geistlichen Beistand.«
Der Bischof nahm ihre Hand. »Aber
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