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Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Domeier
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flackern. Sie zuckte zusammen. Irgendetwas war an ihrer Hand. Sie richtete sich ruckartig auf.
    Ludolf hockte neben ihr. Eben hatte er noch am Baum gesessen. Was wollte er jetzt schon wieder? »Entschuldigung, Agnes. Ich wollte dich nicht erschrecken. Eine kleine Sonne für dich.«
    Er reichte ihr eine Löwenzahnblüte.
    Ihre Lieblingsblume. Nett von ihm, dass er sich das gemerkt hatte. Sie lächelte ihn an. Er hatte sich die Mühe gemacht, noch eine Blüte zu finden, wo jetzt die meisten nur noch als Pusteblume auf der Wiese standen. »Danke.«
    Einem plötzlichen Impuls folgend beugte sie sich zu ihm herüber und gab ihm einen raschen Kuss auf den Mund. Ehe Ludolf wusste, wie ihm geschah, sprang sie lachend auf. Er hatte sich bestimmt schon oft einen Kuss von ihr gewünscht. Aber sie allein wollte bestimmen, wann und wie er einen bekam. Lachend lief sie los und winkte Ludolf wie zum Abschied zu. Er rannte hinter ihr her. Sie war schneller, als er gedacht hatte, aber er holte sie wieder ein. Mit Schwung ergriff er ihre Taille und wirbelte sie herum. Er versuchte, sie zu umarmen. Aber geschickt wandte sie sich heraus und hielt ihn auf Abstand. »Gibst du schon auf?«, stichelte Agnes.
    »Ach wo! Ich will dich nur nicht überanstrengen.«
    »Du träumst ja.«
    Wieder griff er nach ihr, legte ihr seine Hände auf den Rücken und zog sie an sich heran, damit sie nicht wieder entfliehen konnte.
    Widerstandslos ließ sie es diesmal geschehen. Aber ihre Arme verschränkte sie demonstrativ vor der Brust.
    Ludolf war hingerissen. »Ich hab’s schon immer gewusst, deine Eltern sind Diebe.«
    Agnes zog überrascht die Augenbrauen hoch.
    Er hatte schon wieder so ein verdächtiges Grinsen aufgesetzt. Die kleinen Fältchen an den Augen waren zu deutlich.
    »Was hast du jetzt wieder im Sinn?«
    »Deine Eltern haben das Leuchten der Sterne gestohlen und in deine Augen gesetzt.«
    Sie öffnete den Mund, aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
    Stattdessen sprach Ludolf weiter. »Gott erschuf alle Engel mit Flügeln. Nur dir wollte er keine geben, weil er Angst hatte, dass ihm der Schönste davonfliegt.«
    Sie schauten sich lange an. Agnes’ Lächeln erstarb. Er wusste doch ganz genau, dass er ihr so etwas nicht sagen durfte. »Warum redest du so? Das ... Es bringt mich durcheinander.«
    »Ich liebe dich wirklich.«
    »Ich weiß.«
    »Und du?«
    Agnes legte ihre Arme um seinen Hals und bettete ihren Kopf an seine Schulter. Sie drückte sich an ihn, so nah es ging. Ihre Stimme klang plötzlich sehr leise und ein wenig heiser. »Ich darf dir nicht sagen, was ich gerne antworten möchte. Was ich am liebsten laut in die Welt hinaus rufen möchte, damit es jeder hört. Vorgestern wusste ich noch ganz genau, dass ich dich hasse. Heute bin ich mir nicht mehr sicher. Leider ... Ich habe Gott ein Versprechen gegeben. Ich darf es nicht leichtfertig brechen. Es würde mir meinen Seelenfrieden rauben. Ich habe beschlossen, mein Leben, mein ganzes Leben, in den Dienst für Gott zu stellen. Ein Mann ... eine Familie würde mich nur ablenken. Bitte versteh das.«
    Er hätte es gerne verstanden, aber er konnte nicht. Dieses ganze Gerede um Zölibat war für ihn widersinnig. Agnes kannte sich in den Schriften irgendwelcher Kirchenlehrer und Märtyrer bestimmt besser aus als er. Aber wenn sie andere Vorstellungen vom Heiraten hatten als die Apostel, konnte da doch etwas nicht stimmen. Schließlich war in den Evangelien von der Schwiegermutter des Petrus die Rede; also musste er verheiratet gewesen sein. Und wie sagte das Paulus noch? Er hätte die gleiche Befugnis, eine Schwester als Ehefrau zu haben wie die übrigen Apostel und die Brüder des Herrn und Petrus.
    Wenn er aber so mit Agnes reden wollte, wäre sie wieder wütend auf ihn. Er strich ihr über den Kopf, durch das schwarze Haar und war in diesen Augenblick beinahe der glücklichste Mensch der Erde.
    Aber morgen würde alles vorbei sein. Wenn sie wieder zurück in Möllenbeck wären, ginge jeder wieder seine eigenen Wege.

Die Versammlung beim Bischof
    Freitag, 9.9.1384
    Agnes stand an einem der Fenster des großen Raumes und schaute hinaus. Heute war ein trüber Tag. In jeder Beziehung. Über Nacht waren die ersten Wolken aus dem Westen herangekommen, und es hatte sich merklich abgekühlt. Am Morgen hatte noch die Sonne durch große Lücken in der Bewölkung geschienen. Mittlerweile wurden diese freien Stellen mit blauem Himmel aber immer kleiner. Der Sommer wollte sich

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