Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
lachen. »Ihr seid aus dem Stift Möllenbeck. Ihr seid die Scholasterin. Stimmt’s?«
Agnes war völlig verdutzt. Sie nickte ungläubig.
»Dann kennen wir uns. Ich habe Euch schon als kleines Mädchen gesehen. Ihr wart der freche Wirbelwind, der nie langsam gehen konnte. Immer am Laufen und Springen.«
»Wie . . . ? Bitte, wer seid Ihr?«
»Ich? Ich bin Johann von Rottorf. Mein Vater ist Gerd von Rottorf. Den kennt Ihr bestimmt auch. Ich bin Domdekan hier.«
»Jetzt erkenne ich Euch. Ihr habt uns ab und zu frisches Brot vom Hof Eures Vaters gebracht. Und dann habt Ihr versucht, mir die Scheiben wieder zu stibitzen.«
Johann und Agnes lachten und freuten sich über das unerwartete Zusammentreffen. Die drei älteren Herren schauten nur missbilligend auf den Übermut des jungen Volkes. Johann von Rottorf bemerkte die Verstimmung der anderen und wechselte das Thema. »Ihr helft unserem ehrwürdigen Bruder, dem Bischof?«
»Er bat unsere Äbtissin um einen Gefallen. Sie war daraufhin so gnädig, mich vorzuschlagen.«
»Wenn Ihr so klug seid, wie mein Vater mir erzählt, werdet Ihr sicherlich erfolgreich sein.«
Agnes wurde ganz rot und schaute verschämt zu Boden. Sie bedankte sich mit leiser Stimme für das Lob und machte artig einen Knicks. Ihr war es sichtlich peinlich, wenn man über ihre Arbeit so lobend sprach. Dass sie dabei auch ein wenig Stolz empfand, verbarg sie lieber. Es war schon erstaunlich genug, wenn in dieser Männerwelt die Klugheit einer Frau Erwähnung fand.
Der Domdekan wandte sich an nun an Ludolf. »Ihr seid auch aus Möllenbeck?«
»Sehr wohl, mein Herr.«
»Dann kenn’ ich Euch auch. Euer Vater ist Johann, der Verwalter des Domhofes. Und Eure Mutter heißt ...? Mir fällt’s bestimmt gleich ein. Ach ja, Metteke.«
»Eure Erinnerung ist tadellos. Danke, dass Ihr Euch an uns erinnert.«
»Ihr müsst der älteste Sohn sein. Nicht wahr?«
»Ja genau. Ich bin Ludolf.«
»Bereitet Ihr Euch schon darauf vor, das Amt Eures Vaters zu übernehmen?«
»Zurzeit finde ich noch großen Gefallen an Studien. Das möchte ich ausnützen. Mein Bruder ist als Nachfolger ja möglicherweise besser geeignet als ich. Wir werden sehen.«
»Mit Studien kann man aber keine Familie ernähren. Das wisst Ihr.«
»Das wird sich noch alles ergeben.«
Johann wendete sich wieder an den Bischof: »Ihr habt eine gute Wahl getroffen.«
»Unsere Cousine Heilwig von Solms, die Äbtissin von Möllenbeck ist, hat mir die beiden empfohlen.«
Inzwischen hatten die drei Brüder der Familie vom Berge und der Domdekan auf den vorbereiteten Stühlen Platz genommen.
Schließlich waren noch acht Soldaten in den Saal gekommen und hatten sich neben der Tür aufgestellt. Zwei Novizen brachten ein Holzpult herein. Ein Mönch, ein Dominikaner, folgte ihnen mit einem Stapel Pergament unter dem Arm und einem Holzkästchen mit Tintenfass und Federn in der Hand. Agnes zählte kurz nach. Mittlerweile waren mehr als dreißig Personen im Saal versammelt.
Die Tür öffnete sich wieder, und mit langen Schritten kam Caspar von Ilse herein. Schnurstracks eilte er auf die vier Männer auf den Stühlen zu, ohne die anderen Anwesenden auch nur eines Blickes zu würdigen. Er kniete vor dem Bischof nieder und küsste den entgegengestreckten Ring. Dann verneigte er sich tief in Richtung des Dompropstes und des Domdekans. Die Verneigung gegenüber Wedekind, dem einzigen Nichtgeistlichen in der Runde der hohen Herren, fiel dagegen nachlässig aus.
Ludolf dachte daran, wie der Kustos gestern darüber gesprochen hatte, wem Burg und Ländereien rechtmäßig gehören sollten. Also zollte er Geistlichen, die Vertreter der Mutter Kirche waren, natürlich mehr Achtung als weltlichen Fürsten.
Erst als sich der Kustos auf seinen Stuhl setzte, erblickte er Ludolf. Erstaunt zog er die Augenbrauen hoch. Er nickte nur leicht und schenkte dann den Malereien an der Wand seine gesamte Aufmerksamkeit, als sähe er sie zum ersten Mal.
Der Bischof Otto schaute sich kurz um. »Ich denke, wir sollten beginnen.«
Zu den Soldaten rief er hinüber: »Holt den Amtmann Resenbach und seinen Gefangenen Wiegand.«
Anhörung des Schmieds
Unruhig um sich blickend kam Josef Resenbach herein. Überrascht sah er Agnes und Ludolf an der Fensterseite stehen. Er starrte sie einen Moment feindselig an. Dann aber ging er zielstrebig zur gegenüberliegenden Seite des Raumes, um den Herrschaften seine Aufwartung zu machen. Seine Verneigung fiel ein wenig steif und ungelenk
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