Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
ungefähr drei Jahren fand er den erschlagenen Amtmann von der Schalksburg.«
»Ja. Das erzählte er mir.«
»Erzählte Kalle Euch auch, dass er vorher Streit mit dem Amtmann gehabt hatte?«
Plötzlich verschwand Susannas Lächeln. Sie verschränkte ihre Arme vor dem Körper und ging langsam hinter einen der Tische. Sie beobachtete Ludolf aus dem Augenwinkel heraus. »Ich wüsste nicht, was Euch das anginge.«
Ludolf holte den Brief des Bischofs heraus, in dem alle Personen verpflichtet wurden, den Überbringer des Schreibens so weit wie möglich zu unterstützen.
Susanna studierte das Pergament sehr genau und untersuchte das Siegel auf Echtheit.
»Möchtet Ihr mir jetzt ein wenig mehr über Kalle erzählen?«
»Ihr meint die Angelegenheit mit dem Unfall des Amtmanns?«
»Richtig. Kann der Kalle bei dem Unfall ein wenig nachgeholfen haben?«
Susanna ging zu einem Stuhl, der vor den Regalen stand, und setzte sich sehr langsam. Ein wenig umständlich ordnete sie ihr Kleid. »Karl erzählte mir, wie er den toten Amtmann gefunden hatte. Es muss ihn sehr mitgenommen haben, und er hatte sehr große Angst, als er den Fund im Ort meldete. Weil er genau wusste, dass es dort Leute gab, die ihn wegen des Streites sofort zum Mörder stempeln würden. Das war doch auch Euer Gedanke, oder?«
Ludolf nickte nur. Er beobachtete Susanna genau. Sie gefiel ihm immer mehr.
»Ich traue ihm diese Tat nicht zu. Er ist durch falsche Freunde zu einigen unschönen Taten verleitet worden. Er war einfach nur zu dumm, um die bösen Absichten der anderen zu erkennen. Nun gut. Er hat die Strafe dafür bekommen und wohl auch verstanden, warum er sie bekam. Er gehört nicht zu den hellsten Köpfen, aber er ist weder bösartig noch rachsüchtig. Zum Glück hat ihm sein Onkel, ich glaube, der ist der neue Amtmann bei der Burg, geholfen. Das hat er mit so erzählt, und ich glaube ihm.«
»Und Ihr seid Euch sicher, dass er in den letzten vier Wochen nicht mehr hier in der Gegend war?«
»Da bin ich mir vollkommen sicher. Wenn er wieder zurückgekommen wäre, hätte er uns ganz bestimmt besucht. Ich sagte ja, er hat mich sehr gern.«
»Das ist gut. Das ist eine Bestätigung von dem, was Pater Anno schon über Kalle sagte.«
»Also, was wollt Ihr dann von ihm?«
»Ich denke bei der Sache eher an den Onkel. Hat der Onkel den so einfach gestrickten Kalle für seine Zwecke eingespannt? Um von seinen eigenen Ränken abzulenken?«
Susanna stand wieder auf und kam auf Ludolf zu. Sie blieb schließlich knapp eine Armlänge von ihm entfernt stehen und schaute ihn mit ihren strahlenden, dunkelgrünen Augen an. Sie war beinahe so groß wie er. »Dazu kann ich nichts sagen. Ich weiß nichts über den Onkel. Wenn das Eure Meinung ist, ist Kalle vom eigenen Onkel für seine Schandtaten missbraucht worden. Seid Ihr dabei, das zu untersuchen?«
Ludolf nickte.
»Was untersucht Ihr denn wirklich?«
»Das kann ich leider nicht sagen. Ich bin dem Bischof verpflichtet.«
Er konnte sich lebhaft vorstellen, dass Susanna ohne Weiteres einen Mann um den Finger wickelte, um ihm die größten Geheimnisse zu entlocken. Er wandte sich zu dem Tisch, auf dem sie beim Eintreten das Tragebrett abgestellt hatte. Darauf standen unterschiedlich große glasierte Tontöpfe. Zwei der größeren Gefäße enthielten sirupartige, zähe Flüssigkeiten, die eine rötlich-braun, die andere tiefschwarz. Er nahm einen Topf und schnüffelte vorsichtig daran. Ein ganz kleiner Rest Weingeist mit einem Holzaroma, fast wie Humus. Die andere Substanz roch fast gleich. Die drei kleinen Gefäße enthielten ein weißes, ein gelblich- grünes und ein tiefgrünes Pulver. Ludolf bemerkte schon von Weitem den beißend scharfen Geruch der drei Substanzen.
»So etwas schon mal gesehen?«, fragte Susanna schnippisch.
»Tinte. Man schneidet Dornenzweige von Schlehen kurz vor dem Ausschlagen ab und lässt sie ein paar Wochen trocknen. Man entfernt dann die Rinde und lässt sie einige Tage im Wasser stehen. Das inzwischen gefärbte Wasser wird abgegossen, aufgekocht und wiederum mit der Rinde stehen gelassen. Diesen Vorgang muss man einige Male wiederholen, bis die Rinde völlig ausgelaugt ist. Dann wird die Brühe mit Wein eingekocht. Das hier ist wohl das Ergebnis davon. Jetzt muss die Tinte noch restlos getrocknet werden, um hart zu werden. Sie glänzt dann wie Siegellack. Zum Schreiben löst man die Masse in warmem Wein auf. Ihr habt unterschiedliche Dornenarten genommen und dadurch rötliche
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