Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
endlich Ja sagte. Oben unterm Dach, aufn höchsten Boden in einer dunklen Kammer ohne Fenster. Da hättse niemand gehört. Nur bei Brot und Wasser und ohne ihre elenden Bälger.«
Das hatte Agnes hören wollen. Das war das Geständnis, auf das sie so lange gewartet hatte. Jetzt hatte sie endlich das Geheimnis gelöst. An ein und demselben Tag war die gesuchte Frau entdeckt worden und der Mörder überführt. Sie hatte von Anfang an recht gehabt, aber Ludolf hatte es ja nicht wahrhaben wollen. Ein schriller Ruf schreckte sie aus ihren Gedanken: »Jetzt weißte Bescheid! Jetzt stirbste!« Wieder raste der Händler los. Das war die falsche Richtung, schoss es Agnes durch den Kopf. Sie schrie auf. Warum lief er nicht in der Runde weiter wie die Augenblicke vorher? Dann wäre sie beim Zurückweichen bei der Tür entlanggekommen und hätte fliehen können! Als sie an dem Fenster vorbeihastete, suchte sie wieder nach einem Riegel, fand jedoch nichts. Verzweifelt schlug sie gegen die Scheiben. Die in Blei gefassten Butzen gaben nur einen dumpfen Klang von sich.
Dafür polterte es nun hinter ihr. Erschrocken sprang sie weiter. Der Händler lag wieder fluchend am Boden. Er war über den gleichen Stuhl gestolpert, der ihn schon vorher zu Fall gebracht hatte. Das hatte Agnes das Leben gerettet. Sonst hätte er sie erreicht, als sie das Fenster nach einem Riegel absuchte. Dudenhausen stand fluchend auf. Er rieb sich sein schmerzendes Knie, mit dem er auf die harten Dielen aufgeschlagen war.
Nun standen sich die beiden wieder gegenüber – nur durch den großen Tisch getrennt. Agnes drückte sich ängstlich gegen die Wand, während sich Dudenhausen angriffslustig vorbeugte. Wer machte als Erster den entscheidenden Fehler?
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Agnes und Dudenhausen schauten den unerwarteten Eindringling überrascht an.
Hilfe kommt
Ludolf schlenderte gedankenverloren über den Marktplatz. Langsam ging er auf das Haus zu, das Agnes vorhin betreten hatte. Ein stattliches Haus. Die Geschäfte des Händlers schienen ja außerordentlich gut zu gehen. Der hatte das Geld, mit dem man sich ein ruhiges und friedliches Leben machen und nach Lust und Laune allen möglichen Studien nachgehen konnte.
Plötzlich stürmte ein junger Bursche aus dem Haus. Ludolf sah nur das blasse, erschrockene Gesicht, als er fast über den Haufen gerannt wurde. Der Junge eilte wie vom Teufel gejagt genau auf vier bewaffnete Wachen zu, die sich vor dem Rathaus unterhielten. Kurz vor den Männern kam er ins Stolpern, fiel lang hin und rutschte zwischen die Soldaten. Die brachen in Gelächter aus.
Aber Ludolf wurde in diesem Augenblick abgelenkt. Er hörte ein lautes Schreien aus dem Haus des Händlers. Ein Mann brüllte. War der Bursche deswegen so erschrocken gewesen? Hatte er etwas falsch gemacht, sodass sein Herr ihn zusammenstauchen musste? Aber nun erklang eine ängstliche Frauenstimme. Ludolf kannte diese Stimme nur zu gut. Es war Agnes! Sie rief um Hilfe! Irgendjemand schlug wild von innen gegen die geschlossenen Fenster. Schatten huschten hinter den Gläsern entlang.
Ohne lange zu überlegen, raste Ludolf auf das Haus zu, stürzte die Steinstufen zum Eingang hoch. Er stand mitten in einem Raum mit mehreren Tischen und verschiedenen Stoffballen darauf. Das Geschrei des Mannes und Agnes’ Hilferufe kamen von rechts. Ludolf stürzte zu der Tür und riss sie auf. Sein plötzliches Erscheinen hatte die Anwesenden in ihren Bewegungen einfrieren lassen, sie starrten ihn überrascht an. Agnes stand auf der gegenüberliegenden Seite eines wuchtigen Holztisches mit dem Rücken an der Wand. Angst und Verzweiflung spiegelten sich in ihrem Gesicht wider. Ihre Haare hingen ihr wild um den Kopf. Der rechte Ärmel ihrer Bluse war halb abgerissen. Ein paar Stühle lagen kreuz und quer herum, als wäre jemand darüber gestolpert.
Keine vier Schritte neben Ludolf stand ein Mann mit einer wutverzerrten Grimasse und starrte ihn an. Blut tropfte ihm aus der Nase, und auch seine Oberlippe schien aufgeplatzt zu sein. »Wer bist’n du?«, schrie der Kerl und drehte sich abrupt zu dem Eindringling um.
Ludolf war sich der Gefahr bewusst, in der sie sich befanden. »Ich hörte die Hilferufe der Frau. Lasst sie in Ruhe, ich hole die Stadtwache.«
»Du kleines, pickeliges Milchgesicht! Was wagste, mir in meinem eigenen Hause was befehlen zu wollen? Hier sag ich, was getan wird! Jeder, der das nicht einsieht, bekommt eins auf die Fresse!«
Agnes schrie
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