Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
eitler Fratz, und nicht besonders intelligent«, urteilte Marocia später ihrer Schwester gegenüber. »Ich bin froh, dass Eudoxia nicht ihn heiraten muss.«
Blanca schmunzelte. »Ich habe mich erkundigt. Er gilt unter den drei Söhnen noch als der Klügste.«
Marocia seufzte. Leicht fiel es ihr nicht, Eudoxia in die Ferne zu verheiraten, noch dazu ins ungeliebte Imperium und dann auch noch an einen Mann, der allem Anschein nach einfältig war. Aber es war das sorg- und spannungslose Leben, das Eudoxia sich wünschte. Sie würde unentwegt auf gekrümmte Rücken blicken, auf jedes Klatschen hin mit einem Fass voll Ratschlägen zu jedem noch so kleinen Problem versorgt werden und auf immer in dem Bewusstsein leben, erhaben zu sein, ja sogar gottgesandt. Für sie war es das einzig Passende, dachte Marocia – und stellte sich gleichzeitig den vor Ärger geröteten Kopf Hugos vor.
Es war ein warmer, diesiger Morgen, und Marocia hatte zum Schutz vor der Sonne den Kopfschleier ihres Gewandes über die Haare gezogen. Sanft schwappten die Wellen an den Kai. Möwen zogen krächzend über sie hinweg. Auf dem Flaggschiff gingen die Rufe der Seeleute durcheinander, Segel wurden bereitgemacht, Ruderbänke mit dunkelhäutigen Sklaven besetzt. Noch in dieser Stunde würde das Flaggschiff auslaufen, und Marocia wartete am Fuße des Stegs darauf, dass ihre Tochter zu ihr herauskam und sie ihr ein letztes Lebewohl sagen konnte.
Sie würde Eudoxia in diesem Leben nicht wieder sehen. Die kaiserliche Familie verließ ihre Hauptstadt fast nie, und wenn doch, dann nur, um die Sommerfrische auf einer der Residenzen in der Ägäis zu genießen. Dieser Abschied war für immer, doch erst jetzt, an diesem Morgen, wurde Marocia diese Tatsache bewusst.
Sie blickte auf das Meer hinaus. Nie hatte sie vergessen, wessen Kind Eudoxia war und wie sie gezeugt wurde, ja, noch heute wachte sie in manchen Nächten auf und glaubte den Brandgeruch des Feldlagers zu riechen, das Blut auf ihren Lippen zu schmecken und den Schmerz in ihrem Unterleib zu spüren. Die roten Haare und die plumpe Figur, dazu das geistige Desinteresse, alles, einfach alles an ihrer Tochter erinnerte Marocia an Berengar. Diese Dinge aber waren und blieben für immer in ihrem Herzen verschlossen, und nie würden sie zu jemand anderem dringen als zu Blanca.
Doch da gab es noch andere Gefühle und Erinnerungen. Wie das Mädchen sich an kalten Winterabenden an sie kuschelte, wie sie vermeintlich tollpatschig ihr Getränk verschüttete, nur damit Marocia es liebevoll von dem Gewand wischte, wie sie zusammen mit Alberic den jungen Hund Cicero lächelnd in Empfang nahm, oder einfach, wie sie auf der Terrasse der Villa Fortuna saß und stundenlang Tücher bestickte. Marocia liebte jede Einzelne dieser Erinnerungen.
Als ihre älteste Tochter oben auf dem Steg erschien, quoll Marocia das Herz über. Das war nicht länger Berengars Tochter, Eudoxia war allein ihr Kind, ihr Mädchen. Mit ganzer Kraft umarmte sie sie.
»Mutter«, mahnte Eudoxia und blickte sich rasch nach beiden Seiten um. »Das ist jetzt nicht mehr schicklich.«
»Zum Teufel mit der Schicklichkeit«, platzte sie heraus. »Oh, Verzeihung, ich wollte sagen: Das ist mir gleichgültig. Es gibt so viel, das ich dir noch sagen müsste. Die Worte schwirren nur so durch meinen Kopf. Wo fange ich an? Liebes, ich möchte, dass du glücklich wirst. Und wenn es irgendetwas gibt, womit ich dir . . .«
»Darum hast du mich gewiss nicht nach Byzanz vermittelt«, fuhr Eudoxia dazwischen. »Damit ich glücklich werde, von wegen. Dir ging es nur um einen Schachzug, welchen auch immer. Ja, ich habe diese Ehe gewollt, und ich werde glücklich, aber das ist doch wohl nichts weiter als ein unbedeutender Nebeneffekt in deinem Kalkül.«
»Eudoxia«, hauchte Marocia erschrocken.
»Findest du es nicht schäbig, mir in dieser letzten Stunde noch ein Theater aufzuführen, nachdem du dein ganzes Leben lang deine wahren Gefühle für mich gezeigt hast, für deine beiden Kinder vom Herzog? Alberic hat mir damals, als er dich eingesperrt hat, die Augen geöffnet. Wenn es nach mir ginge, Mutter, würdest du noch immer im Kastell sitzen.«
Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging auf dem Steg davon. Marocia wollte ihr nachrufen, aber sie brachte kein Wort hervor. Wiederholte sich denn die Geschichte von damals, als sie Alberic auf diese Weise verloren hatte? Hatte Eudoxia Recht? War es ein unglücklicher Zufall, dass ihre drei ältesten Kinder
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