Die Herrin der Pyramiden
Seite springen mussten.
Rahotep stand hinter dem Schreibtisch in seinem Arbeitsraum und hielt einen Becher Dattelbier in der Hand, als ich eintrat. Ein Diener befreite ihn von seiner Rüstung, während er in den Papyri blätterte. »Was war los in Kemet während meiner Abwesenheit?« Er konnte für die Papyri kein Interesse aufbringen. Nicht heute.
»Nichts.« Ich setzte mich vor seinem Schreibtisch.
»Wie geht es Sarenput?«
Ich sah Rahotep erstaunt an. Was wusste er? »Wieso?«
»Mein Vater hat Kanefer zu Nefermaats Nachfolger ernannt.«
»Ich nehme an, dass Sarenput enttäuscht ist«, antwortete ich ausweichend.
»Das kann ich mir vorstellen. Es muss ein ziemlicher Schlag sein, mit einer hohen Würde zu rechnen und sie dann nicht zu erhalten. Aber er geht nicht ganz leer aus.«
Ich wartete ab.
»Sarenput wird Fürst von Weset.«
»Wann?«
»Sobald mein Vater Zeit hat, es ihm mitzuteilen.«
Mit dem Becher Wein in der Hand setzte sich Rahotep neben mich. Er nahm meine Hand und drückte sie an seine Lippen.
»Wir müssen uns über vieles unterhalten, Nefrit.«
»Ja, über vieles.« Aber nicht heute.
Ich musste erst Ordnung in meine Gedanken bringen, bevor ich Sarenput in die Augen sehen konnte. Ich wusste, dass er mich im Garten seiner Villa erwartete, aber ich konnte nicht zu ihm gehen.
Ich fuhr zurück auf die Baustelle. Wie ein Löwe in seinem Käfig lief ich in meinem Zelt auf und ab.
Mir war nicht klar, was ich für Rahotep empfand. Es war seine Art, die mich reizte. Er hatte etwas an sich, das meine Instinkte herausforderte. Trotz seiner Ämter als Sonnenpriester, als General, als Architekt und Schreiber, trotz seiner Würde als ältester Sohn des Königs, trotz seiner militärischen Leistungen in Kusch und im Zedernland, trotz seines Alters von nunmehr beinahe siebzehn Jahren war er der Schwächere von uns beiden. Er hatte das Überleben nie lernen müssen. Würde ich es je schaffen, mich ganz auf Rahotep einzulassen? Ich wusste es nicht.
Meine Beziehung zu Sarenput hatte mit seiner Ernennung zum Fürsten im Oberen Land keine Zukunft. Er würde sein neues Amt antreten, sobald er davon in einer Audienz beim König Kenntnis erhielt. Ich würde ihn nicht als seine Geliebte nach Weset begleiten. Einerseits war ich wütend, weil ich ohnmächtig zusehen musste, wie mir die Entscheidung für oder gegen eine Beziehung abgenommen wurde. Andererseits war ich erleichtert, dass ich weder Rahotep noch Sarenput die Wahrheit sagen musste.
»Ich habe auf dich gewartet, Nefrit.« Sarenput hatte das Zelt betreten. »Warum bist du nicht gekommen?«
»Ich … ich musste nachdenken«, brachte ich mühsam hervor.
»Nachdenken? Worüber denn?«
»Über dich. Über Rahotep. Über mich selbst. Was ich will und was nicht.«
Sarenput schien überrascht, dass ich einmal in meinem Leben nicht genau wusste, was ich wollte. »Und zu welchen Erkenntnissen bist du gekommen?«
»Ich will niemandem wehtun«, sagte ich.
»Wem könntest du wehtun?«
»dir, Sarenput.«
»Du willst unsere Beziehung nicht fortsetzen?«
»Es liegt nicht daran, was ich will, Sarenput, sondern daran, was ich kann.«
»Hast du mit Rahotep gesprochen?«
»Was soll Nefrit mit mir besprochen haben, Sarenput?« Rahotep stand im Eingang meines Zeltes und betrachtete uns. »Und was, bei allen Göttern, tust du um diese Nachtzeit in Nefrits Zelt?«
»Wir unterhalten uns …«, warf ich ein.
»Was wolltest du mit mir besprechen?«, fragte mich Rahotep.
»Ich wollte mit dir über unsere Hochzeit sprechen.«
»Deshalb bin ich hier. Nefermaat hat einen Termin festgelegt. Der erste Neumond des neuen Jahres scheint günstig. Mein Vater plant gerade keinen neuen Feldzug.«
»Das ist in wenigen Wochen!«
»Ich weiß, der Termin ist etwas knapp für eine königliche Hochzeit. Aber Nefermaat ist zuversichtlich, dass alle notwendigen Vorbereitungen rechtzeitig abgeschlossen werden können. Aserkaf hat sein organisatorisches Geschick bereits im Zedernland unter Beweis gestellt. Er wird die Feierlichkeiten organisieren. Ich hoffe, dass auch du, Sarenput, unser Gast sein wirst. Auch wenn deine Anreise lang sein dürfte.«
»Meine Anreise?«, fragte Sarenput.
»Hat Nefrit dir nichts erzählt?«
»Was soll sie mir erzählt haben?«
»Mein Vater hat dich zum Fürsten von Weset ernannt. Du wirst morgen von ihm die Ernennungsurkunde erhalten. Er hat sie in meinem Beisein gesiegelt. Ich gratuliere dir zu dieser Ernennung.«
Sarenput warf mir einen
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