Die Herrin der Pyramiden
wurde schon weicher, als ich in Lichtfunken zerbarst.
Wir lagen eine Weile schweigend nebeneinander.
Sein Kopf lag an meiner Schulter, als er sagte: »Deine Gedanken waren die ganze Zeit nicht bei mir. An wen hast du gedacht? Wem habe ich dich weggenommen?«
»Niemandem.«
»Jeder Mensch hat irgendjemanden.«
»Ich habe niemanden.«
Ich fühlte mich entspannt nach dieser leidenschaftlichen Nacht mit dem Unbekannten. Ich wusste nicht einmal seinen Namen. Er wusste nicht meinen. Eigentlich die beste Art der Vereinigung. Keine Verantwortung. Keine Vorwürfe. Keine Reue.
Gegen Mittag traf eine Nachricht des Gaufürsten ein. Er lud mich zum Abendessen ein. Es war keine förmliche Einladung, was mich verwunderte. War ich hier so weit von der Zivilisation entfernt, dass die einfachste Etikette nicht eingehalten wurde?
Ich beschloss, dem Fürsten eine Lektion in höfischem Zeremoniell zu erteilen. Ich brauchte fast zwei Stunden, um mich herzurichten und das passende Gewand und die Perücke für diesen Anlass anzulegen.
Mein Zeremonienmeister Reni, Sekhem und fünf Diener begleiteten mich in den Palast.
Der Fürst ließ mich warten. Und als ich gewartet hatte, ließ er sich entschuldigen. Dann endlich wurde ich in das Audienzzimmer gebeten.
Er drehte mir den Rücken zu. Sein Zeremonienmeister ergriff das Wort: »Prinz Ramesse, Fürst von Buto.«
»
Prinz
Ramesse?«
Er drehte sich zu mir um und lächelte zufrieden, als er meine Überraschung sah.
Ramesses Gesicht war wie von Imhotep entworfen. Die Lidränder seiner Augen hatte er mit einem Hauch von Lapispulver betont, die halbmondförmigen Augenbrauen mit Kohle geschwärzt. Ramesses Lächeln war geheimnisvoll und verführerisch. Er zog immer nur eine Seite seiner vollen Lippen hoch, was ich entzückend fand. Es war immer nur ein halbes Lächeln. So wie gestern Nacht.
»Prinz Ramesse, darf ich dir Prinzessin Nefrit vorstellen«, konterte Reni.
Jetzt war er an der Reihe, verblüfft zu sein. »Du bist Nefrit? Rahoteps Gemahlin?« Als ich nickte, fuhr er fort: »Ich bin Amenemhets Sohn. Das macht uns zu Cousins. Beinahe.« Als hätte ich ihn dazu aufgefordert, nahm er mich wie eine Schwester in die Arme und drückte seine Nase auf meine Nase. »Herzlich willkommen in der langweiligsten Gegend des Papyruslandes!«
Es war ein anregender Abend. Wir lachten viel. Wir unterhielten uns. Und wir liebten uns. Er verstand es, mich intellektuell wie auch körperlich zu befriedigen.
Ich kehrte nicht in mein Zelt am Strand zurück, sondern bezog eine Wohnung im Gästetrakt des Fürstenpalastes. Meine Truhen wurden dorthin gebracht, während ich meine Zeit in Ramesses Garten und Bett verbrachte.
»Wenn dein Vater Erfolg gehabt hätte, wärst du jetzt Thronfolger. Hasst du Seneferu, weil er deinen Vater hinrichten ließ?«
Ich lag neben Ramesse auf seinem Bett. Es war früher Nachmittag, und wir hatten einige Stunden für uns selbst, bevor Ramesse an einem Empfang teilnehmen musste.
»Mein Onkel ist ein guter Herrscher. Das Volk liebt ihn«, antwortete er ausweichend. »Und er hat Gerechtigkeit für mich walten lassen. Ich bin seit drei Jahren Fürst von Buto. Seneferu hat mich nach dem Attentat meines Vaters auf den König hierher verbannt.«
Ich drehte mich zu ihm um. »Wie kannst du dein Amt als Fürst Verbannung nennen!«
Er küsste mich auf die Nase und den Mund. »Weißt du, was es bedeutet, Fürst von diesem öden Land am Ende der Welt zu sein? Buto ist nicht Mempi.«
»Die Stadt ist nicht arm.«
»Buto hat nichts, Nefrit. Hier gibt es keinen bedeutenden Tempel, keine Wirtschaftsdomäne, die der Provinz Reichtum bringen könnte, keinen großen Handelshafen, keine Kriegsschiffe. Ich regiere mich hier selbst.«
»Was willst du tun?«
»Außer mit dir zu schlafen? Ich würde gern nach Mempi zurückkehren.«
»Um was zu tun?«
»Ich bin General. Bei der derzeitigen militärischen Lage an der sumerischen Grenze braucht der König jeden General.«
»Du willst also kämpfen?«
»Wenn mein Onkel mich lässt.«
»Kann er dir denn vertrauen?«
»Ich hatte mit dem Attentat nichts zu tun.«
»Du solltest mit ihm sprechen.«
»Er empfängt mich nicht, Nefrit. Er ignoriert mich, als gäbe es mich nicht.«
»Und Kanefer?«
»Kanefer tut doch nur, was sein Vater ihm sagt. Er erstarrt vor Ehrfurcht, wenn sein königlicher Vater zu ihm spricht.«
»Der Wesir hat eine eigene Meinung zu vielen Dingen. Unterschätze ihn nicht!«
»Wie verträgt er sich
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