Die Herrin von Rosecliffe
Isoldes beharrliche Weigerung gehabt ihr Gefängnis zu verlassen, doch im Weggehen hatte sie scharf gesagt: »Was nützt es dir, um jeden Preis beweisen zu wollen, dass du einen stärkeren Willen hast als Rhys? Du wirst dir dabei nur eine Lungenentzündung holen oder erfrieren.«
Doch Isolde war hier oben geblieben. In der Halle vertrieb das Feuer im riesigen Kamin die schlimmste Kälte. Rhys würde sich bestimmt wie alle anderen dort aufhalten, und sie konnte es nicht ertragen, in seiner Nähe zu sein. Sie hasste ihn. Sie begehrte ihn. Sie wollte ihn beschützen. Sie wollte ihm entkommen. Dieser Wirrwarr von Gefühlen würde sie noch in den Wahnsinn treiben! Die Einsamkeit ließ ihr sehr viel Zeit zum Nachdenken, und schließlich war sie zu der Erkenntnis gelangt, dass sie sich in Rhys verliebt haben musste. Das wäre natürlich geradezu selbstmörderisch- Ein Fluch! Doch wie sollte sie sich ihre widersprüchlichen Gefühle anders erklären?
Wenn der Schuft wüsste, wie grausam er sie marterte, würde er triumphieren, und das durfte niemals geschehen! Lieber würde sie auf diesem Ausguck erfrieren!
Unglücklich spähte sie unter ihrer Decke hervor, be trachtete den düsteren Himmel und fröstelte, als ein eisiger Windstoß die Decke blähte. Viel länger würde sie das nicht aushalten ... Bald würde sie gezwungen sein, in die Halle zu gehen, denn sie glaubte nicht, dass sie noch eine Nacht wie die letzte ertragen könnte, in der sie vor Kälte keinen Schlaf gefunden hatte.
Warum war sie nur so eigensinnig?
»Warum musst du so verdammt eigensinnig sein?«
Isolde schaute wieder unter der Decke hervor. Hatte jemand gesprochen? Oder verwechselte sie das Heulen des Windes schon mit einer menschlichen Stimme?
»Isolde!« Eine große Hand schüttelte sie bei der Schulter. Sie schrie vor Schreck auf. »Isolde, komm mit. Ich lasse nicht zu, dass du aus Sturheit erfrierst.« Im nächsten Moment wurde sie mitsamt der Decke von starken Armen hochgehoben. Von Rhys' Armen! »Du bist ja schon halb erfroren«, murmelte er.
»Nein«, widersprach sie aus purem Trotz und wollte sich gegen den arroganten Kerl wehren, aber es tat~ so gut an seiner warmen Brust zu liegen, dass ihr einfach die Kraft zum Widerstand fehlte. Sie war viel zu erschöpft, um weiter gegen ihn zu kämpfen. Außerdem war er selbst gekommen, anstatt wieder einen seiner Boten zu schicken. Ihr Ärger verflog, und mit einem tiefen Seufzer ergab sie sich in ihr Schicksal. In der Halle würde es warm sein, und es würde heißes Essen geben. Was für herrliche Aussichten!
Während er sie die Treppe hinabtrug, verwünschte Rhys sich, dass er ein solcher Idiot gewesen war. Ein egoistischer Bastard! Isolde hatte jedem seiner Abgesandten eine Abfuhr erteilt doch anstatt ihnen zu befehlen, sie gegen ihren Willen nach unten zu schleppen, oder anstatt das selbst zu tun, hatte er vor Wut gekocht sie verflucht und sich geschworen, sie erfrieren zu lassen, wenn es das war, was das sture Weibsbild wollte. Er hatte in der Halle gesessen, heißes Bier getrunken und sich einzureden versucht dass er nur Zorn und keinen Schmerz empfand.
Aber es war ihm- nicht gelungen. Er wusste nicht, warum sie so eigensinnig war, aber er wusste, warum cr es war: weil er etwas für sie empfand. Das war das Letzte, was er gewollt hatte, das Schlimmste, was ihm überhaupt passieren konnte. Sie war seine Feindin. Sie würde ihn hintergehen, wann immer sie eine Gelegenheit dazu hatte. Er wusste das alles, und er wusste auch, dass sie ihn begehrte. Doch das genügte ihm nicht mehr. Er wünschte sich verzweifelt ihre Loyalität. So absurd das auch war - er wollte, dass sie sich für ihn entschied und somit. gegen ihre Familie stellte.
War das Liebe? Nein, sagte er sich hastig. Er hatte sie ein wenig ins Herz geschlossen, doch das war noch lange keine Liebe. Nein, verdammt, er liebte Isolde Fitz Hugh nicht! Nur machte ihn diese ganze Verwirrung und Frustration ganz verrückt ...
Um dem ein Ende zu bereiten, war er schließlich die Treppen zum Turmzimmer hinaufgerannt und hatte dabei drei Stufen auf einmal genommen, ohne genau zu wissen, was er oben tun würde. Als er in die Kammer gestürzt war und sie dort nicht gefunden hatte, war seine Wut auf das sture Geschöpf sofort in Angst umgeschlagen, und diese Angst hatte sich zu Entsetzen gesteigert als er sie draußen auf dem Wehrgang entdeckte.
Im ersten Moment hatte er befürchtet sie sei schon tot, weil sie regungslos dasaß, unter einer Decke
Weitere Kostenlose Bücher