Die Herzen aller Mädchen
war: Zwing die Bullen, den Ritter an die Strippe zu holen, und verkauf dem dann das Buch. Doch Dr. Ritter weigerte sich, mit jemandem zu sprechen, der dafür seine Familie erschießen wollte. Und erst nach langem, zähem Ringen, als schon später Nachmittag war und schwer bewaffnete Polizeieinheiten längst sichtbar hinter mobilen Deckungsmauern rings ums Haus standen, sah Marc Schneider ein, dass er seinem Ziel so nicht näher kam. Daher beschloss er, das Buch dem Besitzer persönlich zurückzubringen. Zu diesem Zweck verlangte er sein Auto. Das stand in der Garage, die allerdings keinen Zugang zum Haus hatte, und das Rausfahren war dem Geiselnehmer offenbar zu kompliziert und riskant.
Ob es auch ein anderes Auto sein könne, fragte Ebert. Die gefährliche Mission in die enge Garage könne er keinem seiner Männer zumuten, da gab es keine Deckung, da könne Sprengstoff angebracht sein, unmöglich, jemanden dem auszusetzen.
Ja, verdammt, es könne auch ein anderes sein. Aber vollgetankt.
Marc Schneider bekam einen vollgetankten roten Audi mitsamt eingebauter Satellitenortung, drei superversteckten Wanzen, einem Kindersitz und einer Kühltasche voller Getränke und Brote. Gegen siebzehn Uhr dreißig verließ Familie Schneider ihr hübsches Haus, voran Vera Schneider, in ihrem Rücken der Gatte mit einer alten Wehrmachtspistole in der Rechten, einer Tasche über der Schulter und seiner besorgniserregend lethargisch aussehenden Tochter an der Hand. Unter tiefem Schweigen und von Scharfschützen belauert stiegen sie in den Wagen. Seine Frau setzte sich ans Steuer, er selbst bugsierte die schwankende Tochter auf die Rückbank, schwang sich auf den Beifahrersitz, und so fuhren sie langsam davon.
Ebert rief Marc Schneider auf dessen Handy an. Schneider verlangte sofort Ritters genaue Adresse. Dass der Millionär sich in München aufhielt, hatte er schon im Verlauf der Gespräche aufgeschnappt.
»Die kann ich Ihnen nicht geben«, sagte Ebert, während im Bus ebenfalls Vorbereitungen zur Abfahrt getroffen wurden. »Herr Schneider, Ihre Tochter sieht krank aus, können wir vielleicht helfen?«
»Ich will die Adresse«, beharrte Schneider. »Fahr durch Böhl-Iggelheim auf die 61«, wies er seine Frau an.
»Herr Schneider, Dr. Ritter lehnt es ab, mit Ihnen zu reden«, sagte Ebert offen. »Ihm ist klar, dass Sie das Buch gestohlen haben und dass Sie Ihre Familie bedrohen. Damit lässt er sich nicht erpressen.« Der Psychologe nickte dazu. Eberts Verhandlungston war aufrichtiger geworden, nicht, dass es etwas nützte.
»Er will das Buch«, sagte Schneider.
»Er glaubt nicht, dass Sie es haben.«
»Er kriegt das Buch, gottverdammt!«, brüllte Schneider los. »Und zwar von mir! Und zwar komplett! Glauben Sie ja nicht, ich mach es Ihnen zuliebe kaputt, ich reiß da nichts raus, das Ding kommt so, wie es war, zum Herrn Doktor!«
Ebert schloss kurz die Augen. Rausreißen, nicht rausreißen, so ging das den ganzen Tag schon, mal drohte Schneider damit, mal wollte er es um keinen Preis tun, obwohl ihn niemand dazu aufgefordert hatte. »Hören Sie bitte«, sagte er. »In Ihrem Handschuhfach befindet sich eine Digitalkamera. Die ist sehr einfach zu bedienen. Eine Anleitung liegt auch dabei. Machen Sie damit ein Foto des Buches, wickeln Sie die Kamera danach in die Tasche, die unter Ihrem Sitz steht, und werfen Sie sie aus dem –«
»Hält’s Maul«, sagte Schneider mitten in diese Rede, vielleicht zu Ebert, vielleicht zu seiner Frau.
Bettina sah, wie Eberts Rechte sich zur Faust ballte. »Herr Schneider?«, begann er dann wieder. »Hören Sie -?«
Doch Schneider hatte sein Handy ausgeschaltet. Über die Abhörmikrofone verfolgten sie, wie er seine Frau beschimpfte.
Ebert ließ das Handy klingeln.
»Scheiß Bullen«, sagte Schneider und drückte den Anruf weg.
»Mach doch das Bild«, sagte Vera Schneiders Stimme zittrig.
»Was für ein scheiß Bild?«
»Von dem Buch.«
»Wie soll ich das machen?«
»Mit der Kamera aus dem Handschuhfach. Die wollen nur ein Bild, dann kriegen wir das Geld!“
»Welche Kamera?!«
»Aus dem Handschuhfach.«
»Bist du verrückt?« Rumpeln. »Das ist doch ein Trick. Echt, ach komm, da ist eine Kamera! Wow! 10,2 Megapixel! Die habens, die Bullen! Verdammte Scheiße!« Wieder Geräusche. »He, ihr Bullenärsche! Hört ihr mich? – Die haben da Wanzen drin.«
»Oh nein«, stöhnte Ebert.
»Ohne Beweis wird der Ritter uns nie glauben«, sagte Vera Schneider matt.
»Du kennst ihn
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