Die Herzen aller Mädchen
doch gar nicht.«
»Bitte.«
»Du willst also, dass ich ein Foto mache.«
»Ja.«
»Mit diesem verwanzten scheiß Fotoapparat.«
»Der ist bestimmt nicht –«
Sie hörten ein hässliches Geräusch und ein Stöhnen.
»Da hast du dein scheiß Foto!«, brüllte Schneider dann. »Und guck auf die Straße, verdammt! Willst du deine Tochter umbringen?! Ich bin dir ja sowieso egal, Miststück! Adios und arrivederci, ihr Bullen! Ich fall doch nicht auf so was rein! Und eure scheiß Tasche könnt ihr auch haben!«
Alle Polizisten, die hinten in dem fahrenden Bus zusammengepfercht waren, sahen sich an.
»Er hat was aus dem Fenster geworfen«, meldete der Fahrer.
»Mannmann«, sagte Ebert dazu nur. »Lassen Sie’s aufheben.«
Es wurde dämmrig. Schneider ließ seine Frau bei Hockenheim auf die A 6 fahren und kurz darauf die A 5 Richtung Karlsruhe. Die abgehörten Gespräche aus dem Audi waren nicht sehr ergiebig. Daher beschloss man im Polizeibus, jetzt schnell etwas zu unternehmen. Verschiedene Szenarien und Rettungspläne für die Geiseln wurden abgewogen. Doch dann schien – man musste fast sagen: endlich – auch Schneider etwas zu planen. Offenbar erkannte er, dass er verkaufen musste, bevor er einschlief. Für etwa zehn Minuten machte ihn das erstaunlich nüchtern. Er fragte sich laut, wie er Ritter noch heute erreichen konnte, und wäre fast zu der Einsicht gelangt, dass ein Echtheitsbeweis der Ovid-Handschrift kein schlechtes Mittel wäre. Dann aber kam er von Ritter auf seinen eigentlichen Auftraggeber, der bereit gewesen wäre, eine halbe Million zu zahlen, und zwar ohne Bullen und Gefängnis. An der Stelle wurde es im Polizeibus mucksmäuschenstill. Doch Schneider verriet den geheimnisvollen Auftraggeber nicht. Er redete nur respektvoll von »ihm« und lamentierte darüber, dass der Handel nun platzen musste, weil es keine Möglichkeit gab, »ihn« zu kontaktieren. Das war verdammt schade. Eine halbe Million! Er hätte sein Haus und seine Familie behalten können! Für die hatte er das alles ja überhaupt nur getan! Für ein dummes, boshaftes, verräterisches Eheweib! Schneiders Stimmung kippte wieder in Wut. Niemand stand ihm bei! Niemand verschaffte ihm eine Ruhepause! Jetzt beleidigte es ihn maßlos, dass seine Macht nur noch bis zur Nacht reichen sollte. »Aber warte nur«, schrie er, »du wirst mitkommen, wenn ich gehe.«
»Es wird gefährlich«, sagte der Psychologe dazu unruhig. »Wir müssen etwas tun. Sie müssen eingreifen.«
»Genau«, sagte Ebert erleichtert. »Lasst ihn uns endlich schnappen. Der Typ regt mich auf.«
»Nein, Sie sollen mit ihm reden«, sagte der Psychologe entsetzt. »Solange er noch zugänglich ist!«
»War er doch nie«, knurrte Ebert, der seit zehn Minuten keinen Versuch mehr gemacht hatte, Schneider anzurufen.
»Jetzt ist er es«, sagte der Psychologe.
»Ph!«, machte Ebert.
»Pst!«, antwortete der Psychologe.
Und tatsächlich tat sich im Fluchtwagen nun etwas Neues: Marc Schneider betrachtete das Buch, das er gestohlen hatte. Zumindest hörte es sich so an: »Aber erst will ich sehen, wofür das alles«, sagte er in schönster Ruhe. »Was an dem scheiß Buch die Viertelmillion wert ist. Oder die halbe, je nachdem, was, Schlampe? – Verdammte Scheiße. Da sind Bilder drin. Siehst du, Hasi?«
Vera Schneider antwortete nicht. Sie antwortete schon lange nicht mehr, und ihr Gatte schien es auch nicht zu erwarten.
»Aufklappbilder.« Er kicherte. »Um so was streiten sich Professoren und Millionäre, um solche Kindersachen …«Er brach ab und pfiff durch die Zähne. »Wow, das ist besser, hast du das gesehen, Süße, he? Hast du diese Bilder gesehen?«
Keine Antwort.
»Verdammte Scheiße, da geht’s voll ab, jetzt versteh ich den Ritter erst, meine liebe Fresse! Ha! Und noch eins! Gibs ihr, du Sau! Oh! Ja! Oh! Ah! Ich halt es nicht aus! Jaaaa! Du bist gut, Süßer, du bist groß! Oh! Ja! Ich spüre, wie sich dein Samen in mir verströmt …!«
Schweigen.
»Hast du das Buch gekannt?!«, herrschte Schneider seine Frau plötzlich in ganz anderem Ton an.
»Nein«, sagte die tonlos.
»Du hast es gekannt.«
Der Psychologe packte Ebert an der Schulter. »Jetzt«, sagte er. »Anrufen. Sofort.«
»Und er hat den Ovid doch«, sagte Bettina leise zu Jaecklein, während Ebert seiner undankbaren Aufgabe nachkam.
»Zwei Diebe«, sagte Jaecklein finster. »Oder meinetwegen auch drei. Ein Plan. Und ein Buch.« Bislang hatte der Kollege vom BKA entschieden der
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