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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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nicht nur, weil es zuvor in der Küche höllisch heiß gewesen war. Sein Finger auf ihrem Mund hatte sich aufregend angefühlt, aber mindestens ebenso aufregend war sein spezielles Lächeln: breit, warm und stets ein wenig schief.
    »Und was macht der Herzog höchstpersönlich denn anderes?«, fuhr Niklas fort. »Sein Hof rüstet sich zur Hochzeit, doch das Land Tirol und die Stadt Innsbruck ächzen unter all den Sonderlasten, die er ihnen damit aufgebürdet hat. Glaubst du, er schert sich auch nur einen Deut darum? Der Herzog nimmt. Und schluckt. Und scheißt alles ungerührt wieder aus. Genau so und nicht anders verhält es sich. Nicht die Bohne kümmert es ihn, wie Land und Stadt alles aufbringen können.«
    »Aber er braucht doch eine neue Frau«, rief Lena. »Und einen Sohn dazu!«
    »Damit sind seine Stände ja einverstanden gewesen und auch mit dem stattlichen Heiratsgut, das die kleine Sächsin mitbringt. Wenn der Herzog allerdings weiterhin so hemmungslos wirtschaftet, wird es ebenso schnell verprasst sein wie alles andere zuvor.« Niklas’ Lächeln vertiefte sich. Das Kribbeln in Lenas Bauch nahm an Heftigkeit zu. »Und was einen Sohn betrifft, so laufen ja schon Dutzende davon in Innsbruck herum. Meinst du nicht, das reicht allmählich?«
    »Von denen rede ich doch nicht! Der Herzog braucht einen richtigen Nachfolger, jemanden, der …«
    »Und dazu sind mehr als dreitausend Kapaune, sechshundert Hennen, fünfzig Kälber, dreißig Mastochsen, tausend Schweine und an die vierzigtausend Eier vonnöten? Außerdem noch Unmengen von Wildbret, ganz zu schweigen von den zentnerschweren Säcken voll Getreide und Reis sowie den ungezählten Fudern Wein, die überall einkassiert werden?«
    »Woher willst du das alles so genau wissen?« Lena gab sich noch nicht geschlagen. »Führst du heimlich Buch? Oder hast du Einblick in die Geheimnisse der herzoglichen Kammer?«
    »Ich bin lediglich ein Spielmann, der ganz unten an der herzoglichen Tafel hockt, bevor er vor oftmals reichlich gelangweiltem Publikum seine Possen zu reißen hat. Dafür kann man in seiner Gegenwart so ungeniert reden, als sei er gar nicht vorhanden.« Nie hätte sie geglaubt, wie bitter Niklas sein konnte. »Diese Hochzeit ist eine einzige Verschwendung! Nein, schlimmer: Sie ist nichts als eine aufgeblasene Zurschaustellung einer langsam verrottenden Männlichkeit, mit der ein unschuldiges Kind beeindruckt werden soll.«
    Erschrocken trat Lena einen Schritt zurück. Was sie in seinen Augen gesehen hatte, war nicht nur Enttäuschung gewesen, sondern blanker Hass.
    »Jetzt hab ich dir Angst gemacht«, sagte er plötzlich um vieles weicher und trat auf sie zu. »Das wollte ich nicht, bitte glaub mir! Aber wenn du erst einmal länger hier bist, wirst du begreifen, wovon ich rede. Komm, lächle wieder, Lena, tu mir den Gefallen! Ich will deine Augen wie Sterne strahlen sehen.«
    Er begann zu summen, dann sang er eine kleine, zarte Melodie:
    Wie wonniglich hat sie mein Herz umsponnen,
    In Liebe an ihr hängen will ich ewig neu,
    Umschlossen zart und eng von ihrem weichen Arm …
    »Warum singst du nicht weiter?«, flüsterte Lena, die kaum zu atmen wagte. »Dein Lied ist wunderschön!«
    »Aber leider noch lange nicht fertig.« Jetzt stand er so nah vor ihr, dass sie sich fast berührten. »Denn die Jungfrau, der es gewidmet ist, ist äußerst scheu. Eine einzige falsche Bewegung …«, er schnalzte mit dem Finger, »… und sie ist fort, weggesprungen wie ein Reh, das sich ängstlich zurück in den dunklen Wald flüchtet.«
    War sein Lächeln nicht plötzlich spöttisch geworden? Schlagartig war Lena dieser Mann wieder ganz fremd. Müde fühlte sie sich mit einem Mal, müde und gleichzeitig sehr ernüchtert.
    »Ich muss zurück«, sagte sie. »Neuen Ärger kann ich mir nicht leisten.«
    »Warte!«, rief er ihr hinterher, als sie sich schon einige Schritte entfernt hatte.
    Zögernd blieb sie stehen, schaute halb über die Schulter zurück . Welchem Zauber unterlag sie plötzlich? Sie wusste doch kaum etwas von diesem Musikanten, und dennoch zog es sie seit dem ersten Augenblick zu ihm hin.
    »Halt dein Herz fest!« So hatte Els sie oftmals gewarnt. »Daran solltest du immer denken, besonders wenn du spürst, dass es zu großen Sprüngen ansetzt, denn das geht leider oft daneben. Die Frauen unserer Familie haben kein Glück, was Männer betrifft. Das scheint so etwas wie unser Schicksal zu sein. Du musst aufpassen, Lena, dass du nicht eines Tages auch

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