Die Hexe und der Herzog
für Lenas Zukunft wünschte.
»Alles!«, sagte Lena ernsthaft. »Aber du musst ganz schnell erzählen!«
»Dass die Braut bleich wie Kreide war und den Herzog keines Blickes gewürdigt hat? Dass sie während der ganzen Messe weinen musste? Den Ring hat er kaum über ihren Finger bekommen, so aufgeregt hat ihn das wohl. Nach der Kirche hat sie sich als Erstes ihren weißen Spitz wiedergeben lassen, das schien ihr das Allerwichtigste gewesen zu sein. Wichtiger offenbar als ihr windschiefer Gatte, mit dem sie nun leben muss.« Er lachte. »Nicht einmal in den Prunkschlitten wollte sie sich anschließend setzen, wahrscheinlich, weil ihr das allzu liebliche Antlitz unseres kleinen Herrn Thomele, der die Zügel führen sollte, Angst eingejagt hat. Der fette Medicus musste ihr ein starkes Beruhigungsmittel verabreichen, sonst wäre sie wohl gar nicht eingestiegen. Ein netteres Willkommen hätte der Herzog sich ja wohl auch kaum für sie ausdenken können!«
»Waren viele Menschen auf den Straßen?«, fragte Lena.
»Genügend. Aber nicht alle haben ein freundliches Gesicht gemacht, musst du wissen. Auch nicht, als er seine kleinen Singbuben losplärren ließ.«
»Die singen gut!«
»Das tun sie«, versicherte Niklas. »Doch nicht alle Leute in unserer schönen Stadt verzeihen ihnen ihre Abstammung.«
Lena sah ihn fragend an.
»Komm schon, das musst du doch wissen!«, sagte er. »Jedes Kind in Innsbruck weiß, dass diese Buben des Herzogs Kegel sind, die er wie die Orgelpfeifen mit verschiedenen Müttern gezeugt hat.«
Das war es, war sie vorhin so irritiert hatte! Die Hälfte der Buben war strohblond und hatte die hohe Stirn des Herzogs. Und der kleinste von ihnen hätte glatt als Sebis jüngerer Bruder durchgehen können. Ein mulmiges Gefühl überkam Lena. Da musste sie ansetzen, wenn sie endlich mehr herausbekommen wollte! Denn dass Els endlich doch mit der ganzen Wahrheit herausrücken würde, konnte sie nach all der langen Zeit wohl nicht mehr hoffen.
Lena ging wortlos weiter, weil sie sich in ihrem aufgewühlten Inneren erst wieder fassen musste. Wo war nur dieser Keller, von dem der Küchenmeister geredet hatte?
»Hier«, sagte Niklas, der vorangegangen war, und riss eine Tür auf. »Wir sind am Ziel.«
Ein feuchtes, nicht gerade sauberes Gewölbe. Lena sah einige Truhen, dazu Körbe, aus denen vertrocknetes Grün ragte. Sie öffnete die erste Truhe. Ein scharfer, modriger Geruch kam ihr entgegen, der sie zurückschrecken ließ. So lagerte man doch keine Kräuter! Man musste sie nach dem Sammeln, das am besten auch noch an besonderen Tagen vonstatten gehen sollte, sorgsam ausbreiten und trocknen lassen, sie locker auf Bretter legen oder an Schnüren aufhängen, so wie es Wilbeth tat oder auch Bibiana, der jedes Pflänzlein aus ihrem kleinen Garten kostbar war.
»Du wolltest Petersilie? Da!« Niklas hielt ihr ein mageres Bündel entgegen. »Ist es das, wonach du gesucht hast?«
Lena schüttelte den Kopf. »Das darf nicht so abgestanden wie ein vertrocknetes Seil riechen, sondern nach Frühling und Saft.«
»So wie du«, erwiderte Niklas und drängte sie gegen die Wand. »Ich werde schon halb verrückt, wenn ich nur in deine Nähe komme.«
Seine Augen waren leuchtend blau, zwei tiefe Seen, in denen sie gern versunken wäre. Lena spürte seinen warmen Atem auf ihrer Haut, dann seine Lippen auf ihrem Mund. Doch sein Kuss war nicht sanft, wie sie es sich gewünscht hatte, sondern drängend, fast schon grob. Was tat er da? So etwas kannte sie nur allzu gut von übermütigen Zechern, die im »Goldenen Engel« zu tief ins Glas geschaut hatten und anschließend fälschlicherweise glaubten, Els und sie seien Freiwild, nur weil sie ihnen mit freundlichem Gesicht Wein und Speisen an den Tisch brachten.
Sie stemmte ihre Hände gegen seine Brust, schob ihn kraftvoll weg.
»Du willst nicht?«, sagte Niklas erstaunt. »Ich dachte, ich gefalle dir auch.«
»Jedenfalls nicht so. Ich bin keine, die sich in einem muffigen Keller auf die Schnelle nehmen lässt, das kannst du dir gleich einmal merken!«
»Aber ich träume doch jede Nacht von dir!«, sagte er. »Und bei jedem Vers, den ich dichte, denke ich an dich.«
»Dann mach es gefälligst anders!«, verlangte sie. »So, dass es mir auch gefällt.«
Sie ließ die Arme sinken und schloss erwartungsvoll die Augen. Jetzt waren seine Lippen zart und vorsichtig. Niklas küsste sie behutsam, beinahe scheu.
»Besser so?«
Lena nickte. Wieso machte er nicht einfach
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