Die Hexe und der Herzog
Neuwahl liegt die Leitung des Stifts nun in meinen Händen.« Er führte Kramer zu einem großen Tisch mit vielen Stühlen, bot ihm Platz an und fragte, ob er sich mit Speise oder Trank erfrischen wolle.
Der Besucher setzte sich, alles andere lehnte er ab. »Ich bin hier, um Eure tatkräftige Unterstützung zu erbitten.« Eifrig berichtete er über die Hexenbulle, mit der Papst Innozenz VIII. ihn ausgestattet hatte. »In Innsbruck, Wilten und später ganz Tirol soll sie nun baldigst Verbreitung finden.«
»Wie können ausgerechnet wir Euch dabei behilflich sein?« Der Prior wirkte unruhig, schien sich plötzlich auf seinem Stuhl nicht mehr wohlzufühlen.
»Nun, ist nicht die Predigt eines der wichtigsten Anliegen Eures Ordens?«, sagte Kramer.
Der Prior nickte.
»Genau da setzen wir an. Wir werden den Menschen verkünden, welche Ungeheuer in ihrer Nähe leben, und sie auffordern, all jene zu benennen, damit wir diese Zauberer und Hexen ihrer gerechten Strafe zuführen können.«
Prokop war aufgestanden, ging zum Fenster und schaute hinaus.
»Ich habe von Euch gehört«, sagte er schließlich, als falle es ihm leichter zu reden, wenn er seinen Besucher nicht ansah. »Und von dem, was Ihr im Elsass und am Bodensee bewirkt habt. Bruder Melchior wusste ebenfalls davon. Mehrmals haben wir ausgiebig darüber gesprochen.« Er räusperte sich. »Ihr seid offenbar äußerst zielstrebig und entschlossen vorgegangen, Pater Heinrich. Doch hier in Tirol liegen die Dinge anders. Die Menschen, die hier leben …«
»… sündigen, hie wie dort«, unterbrach Kramer ihn ungeduldig. »Sie öffnen sich den Einflüsterungen Luzifers, schließen mit ihm einen Pakt, verderben Mensch und Vieh. Diese Unholde müssen mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden! Ich denke doch, das könnt auch Ihr nicht anders sehen.«
»Ich fürchte, Ihr habt mich nicht ganz richtig verstanden«, sagte der Prior, nun wieder zu Kramer gewandt. Auf seinem freundlichen Gesicht glitzerten Schweißtröpfchen. »Eure Vorgehensweise gehört nicht zu den Gepflogenheiten unserer Gemeinschaft. Wir lehren die Liebe Gottes durch das Wort, predigen Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Wir bemühen uns, bitterste Armut zu lindern, und schenken im Unterricht begabten Kindern eine bessere Zukunft. Ihr müsst einmal unsere Singknaben hören, Pater Heinrich! Nirgends klingt das Lob des Allmächtigen schöner und reiner.«
Kramer krampfte die Hände um die Armlehnen, bis seine Knöchel weiß hervortraten.
»So heißt einer Eurer berühmtesten Ordensbrüder nicht Konrad von Marburg?«
»Das ist richtig. Doch Bruder Konrad …«
»… kämpfte vor zweihundert Jahren gegen die Ketzer, als einer der Ersten, denen vom Heiligen Vater der Titel Inquisitor verliehen worden war – eben diese Auszeichnung, derer auch ich mich würdig erweisen darf. Der damalige Papst hat den Namen Innozenz III. gewählt, der Papst, der mich schickt, um das Böse zu bannen, trägt den Namen Innozenz VIII. Bloßer Zufall? Oder nicht vielmehr ein Zeichen des Allmächtigen?«
»Das zu entscheiden, will ich mir nicht anmaßen«, sagte der Prior. »Aber wenn Ihr so wollt, es klingt … in der Tat erstaunlich. Allerdings war der Tod von Bruder Konrad alles andere als erbärmlich, wenn ich mich recht entsinne. Hatten ihm nicht eines Nachts sechs Berittene aufgelauert und ihn aufgeschlitzt?«
»Ein Märtyrer Gottes! Der sein irdisches Dasein freudig gegen das ewige Leben eingetauscht hat – in meinen Augen kann es keine bessere Wahl geben.« Angesichts des unerwarteten Widerstands, der ihm auch hier entgegenschlug, begann Kramer umso leidenschaftlicher zu argumentieren. »Und die Farben unseres Gewandes? Was ist damit? Das strahlende Weiß der reinen Seele, die Gott erkannt hat – Prämonstratenser wie auch Dominikaner haben sie gewählt, um nach außen zu zeigen, wem sie ewigen und unbedingten Gehorsam geschworen haben.«
Eine Weile war es still.
»Weshalb seid Ihr gekommen?«, fragte der Prior schließlich. »Was genau wollt Ihr, Pater?«
»Nichts Geringeres als Eure Kirche.« Kramer genoss, wie dem dicklichen Prior bei seinen Worten der Atem stockte. Er würde sie alle das Fürchten lehren, so viel war gewiss. »Und zwar für den ersten Sonntag der Fastenzeit. Dann werde ich dort zu den Menschen predigen.«
Die kleine Herzogin weinte, als nun auch die sächsische Delegation die Reisekisten aufzuladen begann, nachdem all die Bischöfe, Ritter, Grafen sowie die bayerischen Herzöge
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