Die Hexe von Freiburg (German Edition)
in den Kram passte, weil er wieder so schrecklich müde ist.»
Sie nahm Anselm gegenüber Platz, der ihr ein strahlendes Lächeln schenkte und sagte: «Schön, dass du wieder zu uns kommst!»
Dann stellte Beate ihren Gast vor: Margret Vischerin aus der Predigervorstadt. Alle Anwesenden wussten sofort, wen sie vor sich hatten. Vischerins Mann war ein halbes Jahr zuvor wegen Totschlags nach einem Wirtshaushandel hingerichtet worden. Seither lebte sie mehr oder weniger von Almosen und war ein wenig seltsam im Kopf geworden.
Gutwillig tischte Barbara der schweigsamen Frau eine besonders große Portion Braten mit sauren Bohnen auf. Nach dem Essen zeigte Anselm stolz seine neueste Errungenschaft: eine Laute. Er schlug ein paar Akkorde an.
«Kannst du einen Reigen spielen?», fragte Christoph.
Anselm nickte. Als er zu singen und spielen anhob, schob Christoph den Esszimmertisch zur Seite, nahm Catharina und Beate bei der Hand und eröffnete mit stampfenden Beinen den Reigen.
«Los, kommt, macht mit!», rief er den anderen Frauen zu. Barbara und Elsbeth ließen sich das nicht zweimal sagen, nur die Vischerin setzte sich in die Ecke auf eine Bank und beobachtete mit stumpfem Blick, wie die anderen ausgelassen tanzten und sangen. Anselm spielte nicht schlecht, vor allem besaß er einen schier unerschöpflichen Fundus an Tanzliedern.
«Weil Anselm die arme Beate sitzen gelassen hat, muss er jetzt zur Strafe den ganzen Abend aufspielen. Dabei würde er viel lieber tanzen», kicherte Catharina. Ihre Wangen glühten. Christoph nahm sie um die Hüfte und führte sie unauffällig hinaus.
«Lass sie weiterfeiern. Ich möchte mit dir allein sein.»
Als sie sich Stunden später zufrieden und matt aneinander schmiegten, hörten sie von unten immer noch das Stampfen und Singen ihrer Mitbewohner und Gäste.
Am übernächsten Tag begegnete Catharina beim Fischbrunnen dem alten Zunftmeister der Schmiede.
«Ah, Stadellmenin, gut, dass ich Euch treffe. Ich habe in einer etwas unangenehmen Sache mit Euch zu reden.»
Unwillig zog Catharina die Augenbrauen hoch. Was hatte sie denn noch mit der Zunft ihres verstorbenen Mannes zu schaffen?
«Was gibt es?»
«Ich möchte Euch einen väterlichen Rat geben. Ihr solltet strenger auf Eure Haushaltung Acht geben. Es ist bis zum Rat der Stadt gedrungen, dass in Eurem Haus ein reges Aus und Ein herrscht, und zwar bis acht oder neun Uhr in der Nacht. Den Lärm von Musik und Tanz hört man bis auf die Straße, und –»
«Hat sich der alte Leinenweber also wieder beschwert?», unterbrach ihn Catharina. «Soll er doch zu mir kommen, wenn es ihm zu laut wird. Außerdem halten wir die Fenster immer geschlossen, um niemanden zu stören.»
«Darum geht es doch nicht! Es ziemt sich einfach nicht für eine Witwe, und dazu noch in Eurem Alter, dass es in ihrem Haus zugeht wie in einem Taubenschlag. Dass gesungen und getanzt wird, dass man weder Euch noch Eure Mägde sonntags im Gottesdienst sieht –»
Catharina unterdrückte ein Grinsen. Sie glaubte Michael Bantzer zu hören: Eine Bantzerin tut dies nicht, eine Bantzerin tut das nicht. Damit ist es nun endgültig vorbei, lieber Herr Zunftmeister und lieber Herr Leinenweber Schmitz – von Euch alten Männern macht mir keiner mehr Vorschriften darüber, wie ich zu leben habe.
«Wieso lächelt Ihr?», fragte der Zunftmeister erstaunt.
«Ach, Herr Meister, ich musste eben nur an meinen lieben verstorbenen Mann denken, der sich auch immer sehr um mich gesorgt hat.»
«So ist’s recht. Dem guten Bantzer wäre auch viel daran gelegen, dass Ihr Euren Ruf als ehrsame Bürgersfrau nicht aufs Spiel setzt. Seht Ihr, es ist natürlich nicht verboten, dass man hin und wieder feiert und musiziert, nur sollte man gerade als Frau die Form wahren, vor allem, wenn man wie Ihr in einem Frauenhaushalt lebt, in dem es keinen Vater oder Gatten gibt, der ein wenig auf Ordnung hält. In so einem Fall ziemt es sich auch nicht, dass Ihr einen jungen Mann zur Untermiete wohnen habt.»
«Da könnt Ihr ganz beruhigt sein, Anselm ist noch ein Kind!»
Sie dachte an die nächtliche Szene im Sudhaus und musste sich abermals ein Lächeln verkneifen. Dann fragte sie sich, was wohl über Christoph und sie geredet wurde. Sie sah dem Alten direkt in die Augen.
«Und so ganz ohne Mann ist unser Haus ja nicht. Wie Ihr vielleicht wisst, sieht mein Vetter aus Villingen regelmäßig nach mir.»
«Das ist auch sehr lobenswert von ihm – schließlich muss sich Verwandtschaft
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