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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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betrachtete Rosa all die Fachwerkhäuschen und das Kopfsteinpflaster, und ihr wurde warm. Jetzt, wo sie die vertrauten Häuser vor sich sah, wurde ihr bewusst, wie sehr sie das alles vermisst hatte. In ihrer Brust breitete sich ein behagliches Gefühl aus. Es war, als ob ihr diese Häuser »Willkommen, willkommen!« zuflüsterten. All die Plätze, an denen sie mit ihrem Vater gewesen war.
    »Zuerst fahren wir zu meiner Mutter, dann zum Rat. Denn sie soll als Erste erfahren, dass wir es geschafft haben. Und sie muss mir verraten, warum man unsere Familie so sehr hasst, dass man mich ermorden lassen wollte.«
    Arevhat betrachtete das Treiben auf den Gassen mit einem Kopfschütteln. »Nach allem, was du mir erzählt hast, habe ich mir Nürnberg ganz anders vorgestellt. Die Menschen hier sind so dunkel gekleidet, so trostlos.«
    »Das liegt an den Kleidervorschriften«, erklärte Rosa. »Die hat der Rat erlassen, um die armen Leute davor zu schützen, sich allein für ihre Garderobe zu verschulden.«
    In diesem Augenblick sah Rosa auf der anderen Straßenseite das Haus ihres Vaters. Sie deutete mit ausgestrecktem Finger hinüber. »Dort hinter dem Brunnen, da … das ist mein Zuhause.«
    Rosa schluckte. Es erschien ihr viel kleiner, als sie es in Erinnerung hatte. Der ganze Platz war so viel enger, der Brunnen beinahe schäbig, und doch beschleunigte der Anblick ihren Puls.
    »Du meinst das Haus auf dem roten Steinfundament, mit den komischen roten Strichen in der weißen Mauer, das wie angeklebt an dem anderen lehnt?«, fragte Arevhat.
    Rosa lachte. »Ja, genau das. Man nennt es Fachwerk, das Rote sind Holzbalken.«
    »Und warum steht dieser große Karren mit all den Männern vor der Tür?«
    »Ich weiß es nicht.« Rosa drückte Arevhat die Zügel in die Hand und stand auf. »Aber das werde ich gleich herausfinden.« Sie sprang vom Karren herunter und rannte hinüber zum Haus.
    »Heda, wer seid Ihr, was macht Ihr da?«
    Die Männer schauten auf. »Schaut euch das an, Männer, wir haben Besuch aus dem Orient. Hey, du Nackerte«, rief einer zu Arevhat hin, »soll ich dir mal zeigen, was in einer fränkischen Hose steckt?« Die anderen lachten und pfiffen.
    Rosa ignorierte sie und gelangte völlig außer Atem an die Treppe, die zum Eingang führte.
    Dort stieß sie mit zwei weiteren Männern zusammen, die gerade dabei waren, den geliebten Apothekerschrank ihrer Mutter zum Karren zu schleppen.
    »Stellt das sofort hin, wagt es ja nicht, das anzurühren. Schert euch raus!«, schrie sie.
    Aus dem Haus kam gedämpftes Weinen und Schluchzen, was Rosas Ärger noch verstärkte.
    Ungeduldig packte sie einen der Männer am Ärmel.
    »Hört ihr nicht, was ich gesagt habe, muss ich erst grob werden?«
    Die beiden Knechte setzten den Schrank auf seine gestauchten Kugelfüße und kratzten sich am Kopf.
    »Wer seid Ihr, Weib, dass Ihr uns Befehle erteilt?«, wollte dann der größere von beiden wissen, nachdem er sich gefasst hatte.
    »Ich bin die Herrin des Hauses, und jetzt schert euch raus!«
    Die Männer sahen sich kopfschüttelnd an. »Wir haben unsere Befehle.«
    »Daran zweifle ich nicht. Und von wem sind die?«
    »Vom Obersten Losunger«, stotterte der eine. »Es hieß, alle hier sind verschuldet. Die Alte ist schon im Schuldturm, die zwei kranken Mädchen sollen ins Heilig-Geist-Spital, und hier soll alles verkauft werden, um die Schulden zu bezahlen.«
    Rosa stiegen Tränen der Wut in die Augen. Diese Ratten! Sie hatten nicht einmal vierundzwanzig Stunden damit gewartet, ihre Mutter auf die Straße zu werfen.
    Sie trat zum Fenster. »Arevhat! Bring schnell unsere Schatulle – diese Herren brauchen Geld.«
    »Aye, Aye«, rief Arevhat und beeilte sich, die Kassette nach drinnen zu tragen.
    »Wie hoch genau belaufen sich die Schulden der Zapfin?«, fragte Rosa die beiden Männer und öffnete die Schatulle, in der sie ihre Schätze aufbewahrten.
    Die beiden Knechte rissen die Augen auf, als sie die Münzen und Juwelen im Licht funkeln sahen, ratlos kratzten sie sich wieder am Kopf. »Das wissen wir nicht. Unser Befehl lautet, die Sachen abzuholen und zum Hauptmarkt zu bringen, wo sie unter den Hammer kommen sollen.«
    »Dann werde ich selbst in Erfahrung bringen, wer und was dahintersteckt. Hier ist euer Lohn. Ihr könnt gehen.« Sie reichte jedem von ihnen einen Silbertaler.
    Die Männer starrten das Geld an, als wäre es verhext.
    »Aber …«
    »Aber was?«, mischte sich Arevhat ein. »Stimmt was nicht mit dem Geld? Gut, dann

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