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Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Rande seiner Kraft. Er war so schnell gegangen, wie ihm das möglich gewesen war, und war jetzt am Fuß dreier halb verfallener Hütten angekommen, die wie Vogelnester in dem Felsen vor ihm klebten. Nun wusste er nicht, wie es weitergehen sollte. Er hatte geglaubt, seinem Bruder mit jedem Schritt näher zu kommen. Aber offensichtlich hatte er sich getäuscht. Weder von seinem Bruder noch von Lexz oder sonst jemanden war eine Spur zu sehen.
    Schlimmer noch: Die Hütten sahen aus, als hätte hier schon seit Ewigkeiten niemand mehr seinen Fuß hineingesetzt. Der Lehm war an vielen Stellen von dem brüchig wirkenden Weidengeflecht abgeplatzt und gab den Blick auf die Dämmung aus dicht gepresstem Gras frei, das sich zwischen dem Geflecht befand. Zwei der drei Hütten hatten keine Tür mehr, und die noch verbliebene Tür in der am weitesten von ihm entfernten Hütte war derart mit Löchern übersät, als hätte sie jemand als Zielscheibe genutzt. In dem Reetdach der gleichen Hütte steckte offenbar ein abgebrochener Pfeil, wenn er das aus der Entfernung richtig erkannte.
    Doch dies war nicht das einzige Problem, das er hatte. Das Wetter änderte sich mit einer erschreckenden Geschwindigkeit, und zwar auf eine Weise, die ihm geradezu widernatürlich schien.
    Er lehnte sich mit einer erschöpften Bewegung an einen verkrüppelten Baum und starrte zu den Wolken empor. Sie waren dick und schwer, Nebelbänken gleich, die sich an Herbsttagen von Flüssen, Tümpeln und Mooren vorschoben, bis sie alles überlagerten und mit ihrem feuchten Mantel erstickten. Bei den Wolken sah es ganz ähnlich aus. Helle, fast weiße Bänke wuchsen der lichteren Wolkendecke von unten entgegen. Die Schicht über ihnen riss immer wieder auf, sodass für kurze Zeit an wenigen Stellen türkisblauer freier Himmel durchschimmerte. Alles war zwar in dräuender Bewegung, und doch schien es auch fest ineinandergefügt.
    Zakaan stieß einen Seufzer aus. Manchmal war es gar nicht gut, wenn man zu viel wusste. Als junger Mann hatten er und sein älterer Bruder so manche kleinere Wanderung begleitet, und auf diesen Reisen war es ihnen vergönnt gewesen, einige der größten Schamanen und Medizinmänner versprengter Stämme und größerer Völker kennenzulernen. Sie hatten Dinge gesehen, die wahrscheinlich noch kein Raker vor ihnen zu Gesicht bekommen hatte, und hatten von Geheimnissen gehört, die mit Sicherheit nicht für ihre Ohren bestimmt gewesen waren. Mit einigen Menschen hatten sie sich kaum verständigen können, so fremd war ihre Sprache gewesen, während andere zwar eine in ihren Ohren merkwürdige Aussprache gehabt, sonst aber gut verständlich gesprochen hatten.
    Und nun das. Die Wolken … die mächtigsten von ihnen sahen aus wie feste Schneegebilde, weshalb man sie auch Schneewolken nannte, während die lichten Dunstwolken genannt wurden. Doch das, was sich aus ihrer Mitte heraus immer weiter vorschob, das hatten die weisen Männer Steinwolken genannt.
    Die Steinwolken mochten ja harmlos aussehen. Aber das waren sie keineswegs. »Steinwolken stehen für das, was fest gefügt ist und doch auseinanderbricht«, murmelte er. »Steinwolken sind immer …«
    »Ein gefährliches Zeichen.«
    Zakaan stieß einen spitzen Schrei aus und drückte sich so weit von dem Baum weg, dass er sich umdrehen konnte. Von dem Hang hinter ihm führte ein Pfad hinab, und auf diesem schritt ihm Abdurezak entgegen.
    Er sah schlecht aus, erschöpft und noch dünner, als ihn Zakaan in Erinnerung hatte. Seine Schultern wirkten wie von einer schweren Last niedergedrückt. Aber seine Lippen umspielte ein feines Lächeln, und in seinen Augen blitzte eine unbändige Lebenslust und Freude auf.
    »Bruder!«
    Zakaan wollte schon losstürmen, aber seine Gedanken eilten den Füßen voraus, er geriet ins Stolpern und brauchte ein paar Schritte, bis er sich wieder einigermaßen gefangen hatte.
    »Bruder!«, stieß er noch einmal hervor, »endlich!«
    Arris geprellte Lungen brannten, als müsse sie Feuer einatmen, und ihre Waden waren so verkrampft, dass sie es kaum schaffte, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Das Schlimmste aber war das Zittern ihrer Hände, das besonders heftig wurde, wenn sie Halt suchend nach einem Felsvorsprung griff. Wie gefährlich das war, erfasste sie aber erst, als sie den schmalsten und gefährlichsten Teil der Kletterstrecke erreichte, den Übergang von einer Felsseite auf die andere, einen spitz zulaufenden Überhang, der wie eine Nase aus dem zerklüfteten

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