Die Hintertreppe zum Quantensprung
Mehrzahl Quanta schon vergeben) und auf dessen Karosserie einige der Diagramme gemalt waren, die den Fahrer berühmt gemacht hatten.
Feynman hatte schlichtweg Spaß, wenn er Physik trieb, und er hatte Spaß, wenn er seine Bongo-Trommel bearbeitete. Er machte sich mit Begeisterung daran, die Hieroglyphen der Mayas zu entziffern, und es bereitete ihm großes Vergnügen, den »Safecracker« zu spielen, das heißt Kombinationen für einen Safe zu entschlüsseln, vor allem dann, wenn in dem Safe Geheimdokumente lagen (aus deren Inhalt er aber keinen Nutzen zog). Feynman amüsierte sich königlich, wenn er Sprachen der Welt imitierte – er konnte einen glauben machen, perfekt das Spanische oder Chinesische zu beherrschen, während er aber nur bedeutungslose Laute von sich gab, die so klangen, als ob. Und er ließ sich auch mit großer Freude auf seinen rau rollenden New Yorker Akzent ein, den er als junger Mann pflegte, damit ihn niemand mit den Snobs verwechselte, die aus Harvard oder Princeton kamen. Kurz, er hatte fun .
Der Ernst des Lebens
Bereits der Studienanfänger Feynman fiel durch seine mathematischen Fähigkeiten auf, die mit rechnerischem Vermögen und physikalischer Intuition verknüpft waren, und so holte ihn Robert Oppenheimer 1943 nach Los Alamos, damit er am Manhattan-Projekt mitwirken konnte. Bald leitete Feynman die Gruppe, die für die entscheidenden Berechnungen von Größe und Reichweite der Atombomben verantwortlich war. Dabei ist anzumerken, dass damals noch eine computerlose Zeit herrschte und der Umfang der Kalkulationen viel fantasievolle Kopf- und Handarbeit erforderte.
Als Feynman in Los Alamos lebte, kam es zu einer persönlichen Tragödie. Er hatte sehr früh geheiratet, und er liebte seine Frau Arlene sehr. Es war »a love like no other love«, wie er einmal geschrieben hat. Aber dann wurde Arlene krank, und niemand konnte ihr helfen. Feynman musste zusehen, wie seine junge Frau vergeblich gegen die Tuberkulose ankämpfte. In diesen schweren Tagen gab ihm die Physik Halt, und seitdem befand er, dass Wissen »der höchste Wert« sei, an dem sich ein Mensch orientieren kann. Dieser Erkenntnis folgend, lenkte er sich an Arlenes Sterbebett ab, indem er ihren stockenden Atem untersuchte und sich vorstellte, was im Gehirn alles vor sich gehen kann, wenn das Lebensende naht. Nach Arlenes Tod verließ Feynman sofort das Krankenhaus und ging in sein Büro. Er arbeitete und arbeitete, aber einige Tage später, als er bei einem Spaziergang durch die Stadt in einem Laden ein Kleid sah, das Arlene gefallen hätte, brach er zusammen.
Feynmans Umgang mit Frauen wurde in den folgenden Jahren seltsam. Er verbrachte viel Zeit in Bars, heiratete ein zweites Mal (mit unerfreulichem Ende) und fand erst spät in Gweneth die Frau, die ihn aushielt und bei ihm blieb.
QED
Als der Krieg zu Ende ging – ohne einen Kommentar des eher unpolitischen Feynman zum Abwurf der Atombombe –, folgte er seinem unmittelbaren Vorgesetzen aus dem Manhattan-Projekt, dem Physiker Hans Bethe, an die Cornell Universität im Staate New York. Dort blieb er bis zu seinem Wechsel nach Kalifornien. In Cornell versuchte Feynman von der bereits funktionierenden und erfolgreichen Quantenmechanik zu einer Quantenelektrodynamik zu kommen. Selbst wenn das einem Außenstehenden beim ersten Lesen nicht viel sagt, so reicht ein kurzer Blick in die Entwicklungsgeschichte der Physik, um zu sehen, dass Feynman sich keck an ein historisches Projekt wagte.
Der Triumphzug der klassischen Physik von Newton bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war gelungen, weil ihre Vertreter nach einer Mechanik (mit den Gesetzen von Isaac Newton) eine Elektrodynamik (mit den Gesetzen von James Clerk Maxwell) gefunden hatten. So konnten sie sowohl die Bewegung von materiellen Körpern als auch die Dynamik von elektrischen und magnetischen Feldern berechnen und behandeln. Im 20. Jahrhundert war es – wie es sich historisch gehört – zuerst gelungen, eine Quantenmechanik aufzustellen, und nun wartete die Welt gespannt auf die Quantenelektrodynamik, und genau das wollte Feynman bewerkstelligen. Dieser Herkulesaufgabe standen – neben technischen und mathematischen Problemen – zwei Hindernisse im Weg: ein psychisches und ein physikalisches. Die psychische Hürde hatte Paul Dirac aufgebaut, weil der schweigsame Engländer sich schon einmal um dieses Thema gekümmert, dann aber aufgegeben hatte. Dirac sprach von einer allzu großen Herausforderung, die ganz
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